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Veröffentlicht am 25­.04.2011

25.4.2011 - focus.de

Ostern: Politikern die Leviten gelesen

Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche haben zu Ostern Politikern die Leviten gelesen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof, Robert Zollitsch, verlangte eine neue Solidarität auch im politischen Leben.

Zu Ostern haben Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche den Politikern die Leviten gelesen. Vor Tausenden von Gläubigen mahnten die Kirchenvertreter, Lehren aus der Atomkatastrophe in Japan zu ziehen und sich für gerechten Frieden in Libyen, Syrien und Ägypten einzusetzen. Gentests an künstlich erzeugten Embryos dürften keinesfalls der Auswahl zwischen „wertvollem“ und „unwertem“ Leben dienen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch verlangte, statt einer „Haltung des Murrens“ müsse eine neue Solidarität auch auf das politische Leben überspringen. „Visionen werden selten umgesetzt, wenn sich Milieus, Parteien und Glaubensgemeinschaften in sich verkapseln“, mahnte Zollitsch. Dies gelte auch angesichts der Reaktorkatastrophe von Fukushima „mehr denn je, überall in unserer Gesellschaft“.

Auch der Mainzer Kardinal Karl Lehmann rief die Menschen zu mehr Solidarität auf. „Der Glaube, der aus der Auferstehung kommt“, lasse uns „eine neue Solidarität entdecken, die unsere Welt ganz dringen braucht“, sagte Lehmann. Die Menschen hätten aber oft Angst, „grundlegend solidarisch zu sein mit Bedrängten in aller Welt“.

Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen kritisierte die Präimplantationsdiagnostik (PID) scharf, mit der menschliche Embryonen auf genetische Fehler untersucht werden. „Es geht um die Tendenz einer Gesellschaft, die sich anschickt, nicht nur nach den Schwächen eines Menschen zu fahnden, sondern nach den Schwachen, um sie auszusondern“, sagte Algermissen.

Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst erinnerte an die Opfer der politischen Unruhen in Libyen und Syrien. Man werde „stumm“, wenn Menschen gewaltsam Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden vorenthalten werde.

Mit deutlichen Worten sprach sich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegen Waffenlieferungen nach Libyen aus. Es sei richtig, die Waffenlager des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi zu zerstören, aber falsch, den Gegnern Waffen zu liefern.

Nicht vor dem Leid der Mitmenschen abstumpfen Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, forderte Konsequenzen aus der Atomkatastrophe in Fukushima und sagte: „Unsere Furcht, die verbunden bleibt mit der Ehrfurcht vor Gott und mit unserer Osterfreude, setzt uns in Bewegung. Sie hilft uns, vor dem Leid unserer Mitmenschen nicht abzustumpfen.“

Auch Präses Alfred Buß von der Evangelischen Kirche in Westfalen machte den Atomunfall in Japan zum Thema. „Die heimlich-unheimliche Katastrophenangst ist wieder da. Fukushima ist ein Fanal menschlicher Selbstüberhebung“, sagte Buß.

Der Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, ermutigte die Menschen, auf eine friedliche Welt ohne Kernenergie zu hoffen. Auch müsse es gelingen, dass aus der friedlichen Revolution in Ägypten „ein Staat entsteht, in dem die Menschenrechte geachtet werden“. Für Libyen sei das Ziel, „die despotische Macht zu brechen und dem Morden ein Ende zu bereiten“.

Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ulrich Fischer, erinnerte an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren und warnte vor den Gefahren der Kernenergie. Die Christen müssten an Ostern innehalten und einstehen gegen „menschengemachte Todesrisiken“.

Trend hin zur Klerikerkirche beklagt

Die innerkirchliche Reformbewegung „Wir sind Kirche“ bemängelte eine zunehmende Spaltung zwischen der katholischen Amtskirche und den Gläubigen in Deutschland. Es gebe eine klare Entwicklung weg von der Volkskirche hin zu einer Klerikerkirche neokonservativer Prägung, sagte Dietgard Heine, Sprecherin von „Wir sind Kirche“ im Bistum Mainz, der Nachrichtenagentur dapd. Google-Anzeigen

Das zeige sich nicht zuletzt an vielen der neuen Bischöfe, die in den vergangenen Jahren von Rom bestellt worden seien. Das Problem mit vielen dieser jungen konservativen Bischöfe sei, dass sie sich völlig den zentralistischen Vorgaben aus Rom unterordneten und sich entsprechend weniger für die Belange der Menschen im Bistum interessierten.


gxb/dapd

http://www.focus.de/panorama/vermischtes/ostern-politikern-die-leviten-gelesen_aid_621210.html

Zuletzt geändert am 27­.04.2011