| |
Veröffentlicht am 07­.04.2011

7.4.2011 - suite101.de

Mehr Austritte nach Missbrauchsfällen in katholischer Kirche

Bernhard Knapstein

Die Kirchenaustritte in der katholischen Kirche sind dramatisch gestiegen. Ein Vergleich belegt: Transparenz im Umgang mit den Skandalen wurde gewürdigt

Im Jahr 2010 haben etwa 180.000 Christen der römisch-katholischen Kirche in Deutschland den Rücken gekehrt. Das entspricht einem Zuwachs bei den Kirchenaustritten um knapp 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2009. Das ZEIT-Magazin "Christ und Welt" hatte die Zahlen aufgrund einer Umfrage in 27 Bistümer der katholischen Kirche ermittelt. Die Austrittswelle bestätigt damit eine Prognose der christlichen Gemeinschaft "Wir sind Kirche" aus dem Jahr 2010, die von 170.000 Austritten ausgegangen ist. Die Deutsche Bischofskonferenz mochte die Zahlen noch nicht endgültig bestätigen, da noch nicht alle Zahlen für 2010 vorlägen.

Während sich die Zahl der Austritte der Gläubigen aus der katholischen Kirche seit 2008 verdoppelt hat, verzeichnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) einen Rückgang des Gläubigenschwunds. Die EKD geht von 150.000 Austritten im Jahr 2010 aus und damit 18.000 Austritte weniger als 2008.

Skandal um sexuelle MIssbrauchsfälle lässt die Kirche ausbluten

Der Grund für das Verlassen der Kirche, so vermuten auch Angehörige des Klerus wie etwa der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp, liegt in dem Aufdecken und dem Umgang mit den zahlreichen Fällen von sexuellem Missbrauch in der Kirche. Für die Christen sei es eine "persönliche Form des Protests und der Abscheu vor dem Skandal", so Schwaderlapp. Zwar wurden auch einzelne Missbrauchsfälle in der evangelische Kirche aufgedeckt. Doch in erster Linie traf es die katholische Kirche. Hier hatte der Skandal vor allem auch die Debatte um den Zölibat neu entfacht. Zum Teil wurde unterstellt, die Ehelosigkeit der Geistlichen sei ursächlich für den Missbrauch. Dass es den Christen nicht so sehr um die Missbrauchsfälle selbst, sondern um den Umgang mit den Vorfällen durch die Kirche geht, das belegen die Zahlen der Kirchenaustritte in Berlin und im bayerischen Raum.

Am Berliner Canisius-Kolleg hatte die Aufdeckung der zahlreichen Missbrauchsfälle begonnen. Das Rektorat der Jesuitenschule um Pater Klaus Mertes SJ hatte von Anbeginn Aufklärung und Transparenz versprochen und auch danach gehandelt. "Das offensive Aufklärungsverhalten in Berlin wurde von Gläubigen goutiert", so die Schlussfolgerung eines Experten. Tatsächlich verzeichnet das Bistum Berlin für 2010 einen Zuwachs der Austritte von weniger als 20 Prozent.

Alt-Bischof Walter Mixa hatte Zorn der Gläubigen entfacht

In Bayern hatte sich die Diskussion um das Verhalten der Kirchenoberen vor allem an dem früheren Augsburger Bischof Walter Mixa erhitzt. Mixa selbst trafen Vorwürfe der Misshandlung und zudem der Vorwurf Gelder der Waisenhausstiftung St. Joseph in Schrobenhausen veruntreut zu haben. Zwar hatten sich der Verdacht auf sexuellen Missbrauch nicht erhärtet, doch die katastrophale Außendarstellung des 1941 im oberschlesischen Königshütte geborenen Bischofs entfachte eine Welle des Unmuts. In diesem Kontext musste auch sein Medienberater Dirk Hermann Voss zurücktreten. Bischof Mixa hatte zwar am 21. April 2010 Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt angeboten, dieses Angebot nach drei Tagen aber wieder zurückgezogen. Am 8. Mai nahm der Papst dann das eigentlich zurückgezogene Rücktrittsangebot an. Dabei verwies der Vatikan auf kanonisches Recht, wonach der Ruhestand wegen Krankheit oder "anderer schwerwiegender Gründe" erklärt werden könne. Mixa zog später zum Unverständnis der Gläubigen wieder in den Bischofspalast, nur um später erneut ausziehen zu müssen. All dies hat offensichtlich nicht zur Vertrauensbildung beigetragen. Der Zuwachs der Kirchenaustritte in Bayern betrug 2010 rund 70 Prozent.

http://www.suite101.de/content/mehr-austritte-nach-missbrauchsfaellen-in-katholischer-kirche-a107771

Zuletzt geändert am 07­.04.2011