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Veröffentlicht am 22­.11.2010

22.10.2010 - Frankfurter Rundschau

Kirchenbasis sieht keine Kehrtwende

Schwule Prostituierte dürfen Kondome benutzen und Verheiratete nicht? Die Bewegung "Wir sind Kirche" wertet die Papstworte zum Kondom-Verbot als Affront gegenüber Eheleuten.

Die jüngsten Aussagen zum Kondom-Verbot durch Benedikt XVI. haben ein geteiltes Echo gefunden. Zustimmung äußerten vor allem diejenigen Organisationen, die darin einen ersten Schritt zu einer Lockerung der Haltung des Vatikans sehen. Skeptiker befürchten dagegen, dass die katholische Kirche ihre bisherige Doktrin nur in Nuancen ändern will. Benedikt hatte sich erstmals für die Verwendung von Kondomen in Einzelfällen bei der Aids-Bekämpfung ausgesprochen. Die katholische Basisbewegung „Wir sind Kirche“ erklärte, bisher sei nicht abzusehen, dass die Äußerung eine Kehrtwende bringe. Sollten sich die Worte von Benedikt XVI. nur auf Prostituierte beziehen, „so wäre dies ein neuerlicher, unverzeihlicher Affront gegen alle Eheleute und vor allem gegen die Frauen, die besonders in Afrika von Aids betroffen sind“. Der Theologe Hans Küng nannte die Aussagen eine „taktische Anpassung“. Eine grundsätzliche Wende sei erst erreicht, wenn die Kirche ihre Position aufgebe, dass Empfängnisverhütung unsittlich sei.

Die Aids-Hilfe sowie die kirchenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen begrüßten die Papstworte. Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke bezeichnete dies als Bestätigung der katholischen Morallehre. Es sei gut, dass der Papst das jetzt so deutlich gesagt habe. In bestimmten Situationen könne das Kondom der „Anfang der Moralität“ sein. Jaschke warnte davor, Sexualität zu einer „technischen Sache“ verkommen zu lassen.

Verhaltenes Lob

WHO-Generalsekretärin Margaret Chan nannte die Papstworte einen „guten Anfang“. Tino Henn von der Aids-Hilfe sprach von einem „wichtigen Schritt“. Es sei jedoch bedauerlich, dass der Papst das Kondom-Verbot nicht generell aufgehoben habe.

Der Pontifex habe sich der Not der Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit zugewandt, betonte die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Flachsbarth. „Vielleicht ist das der Beginn einer Diskussion über die Sexualmoral in der Kirche.“ Auch die kirchenpolitischen Sprecher von FDP und Grünen, Stefan Ruppert und Josef Winkler, sprachen von einer „Hinwendung zur menschlichen Lebensrealität“. Ein wirklicher Fortschritt sei „aber erst erreicht, wenn der Papst sich auch in der Lehrmeinung zu einer Lockerung bekennt“, sagte Winkler.

Der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock forderte eine ehrliche Debatte darüber, „was eine gute und lebbare Sexualität ausmacht“. Das Erleben von Sexualität sei eines der elementarsten menschlichen Bedürfnisse.

(hein/epd/kna)

http://www.fr-online.de/politik/kirchenbasis-sieht-keine-kehrtwende/-/1472596/4860332/-/index.html

Zuletzt geändert am 23­.11.2010