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Veröffentlicht am 01­.11.2010

1.11.2010 - katholisch.de/ KNA

"Wir können nur beten, dass der Heilige Geist weht"

Katholische Reformer proben in Hammelburg den Schulterschluss

Hammelburg (KNA) Er sei nicht als Spion gekommen, betont Christoph Warmuth vor dem Gymnasium in Hammelburg. Vielmehr habe ihn der Würzburger Generalvikar gebeten, an dem Treffen von gut einem Dutzend kirchlicher Reformgruppen in der unterfränkischen Stadt teilzunehmen. Der Domkapitular sagt, er möchte die Stimmung wahrnehmen. Er erwarte sich eine Diskussion über Themen, die überall in den Gemeinden zur Rede stünden, nicht nur bei den Reformgruppen. "Und es bringt ja nichts, wenn solche Fragen unter dem Deckel gehalten werden."

Die Hammelburger Gruppe "Kirche in Bewegung" hat in Anspielung auf den evangelischen Reformationstag zum "Reform-Aktions-Tag" geladen. Sie entstand vor gut einem Jahr, nachdem ihr Pfarrer Michael Sell suspendiert wurde, weil er eine Frau liebte und ein Kind erwartete. Seitdem beten an jedem Donnerstag Katholiken in dem Weinort für Reformen in der Kirche. Erst vor vier Wochen übergaben sie am Rande der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda 12.000 Unterschriften für die Abschaffung der Zölibatsvorschrift für Priester.

Alt trifft Jung: Die Vertreter von "Wir sind Kirche" sind genauso gekommen wie die "Besorgten Christen Passau", die "Vereinigung Katholischer Priester und ihrer Frauen" und die "Pfarrerinitiative Würzburg". Die katholische Reformbewegung hat an diesem Tag in Unterfranken vielfältige Gesichter. Die neuen Gruppen seien in ihrer Ausrichtung "spiritueller", sagt Christian Weisner vom Bundesteam "Wir sind Kirche".

In einer gemeinsamen Erklärung betonen sie, dass sie ihre Vernetzung stärker vorantreiben wollen. Sie fordern einen Dialog auf Augenhöhe mit den Bischöfen, eine Kultur des Zuhörens und die Anerkennung des Priestertums aller Gläubigen. Priester sollen sich offen und ehrlich zu ihrer Lebens- und Arbeitssituation äußern und gemeinsam mit den Christen in den Gemeinden an einer Lösung der strukturellen Probleme der Kirche arbeiten.

Von diesem Ansatzpunkt gehen auch die neuen Reformgruppen aus, wie das Beispiel der Hammelburger Initiative zeigt. Sie wird von Menschen unterstützt, die man gemeinhin als "gute Katholiken" bezeichnet. Ein 75-jähriger Mann meldet sich zu Wort: Die Kirche habe eine Verpflichtung, den Menschen zu ermöglichen, Eucharistie zu feiern. Diese wiege schwerer als manches gute Argument für den Zölibat, der wiederum auch viel Leid bringe. "Wir können nur beten, dass der Heilige Geist weht", beschließt er sein Statement.

Ein anderer Mann spricht mit Tränen in den Augen darüber, wie schwer es für Alkoholiker gewesen sei, ein Abendmahl ohne Wein feiern zu dürfen. Und er berichtet darüber, wie sehr ihm der ehemalige Pfarrer Sell als Seelsorger in schwierigen Situationen geholfen habe. Hätte er vier Monate auf einen Termin bei den immer weniger werdenden Priestern warten müssen, hätte "entweder die Zeit alle Wunden geheilt oder ich wäre unter der Erde".

Domkapitular Warmuth mischt sich nur einmal ein, als er dazu aufgefordert wird. Die Kritik des Theologen Peter Bürger, der als Referent die bisher erfolgten Strukturreformen scharf attackiert, weist er als pauschal und voller Zerrbilder zurück. Er werde im Allgemeinen Geistlichen Rat am Dienstag über die Diskussion berichten, erklärt er hinterher. Man müsse den Fragen der Gläubigen Raum geben, auch wenn die Antworten nicht ganz so einfach seien.

Nicht weit entfernt von Warmuth sitzt auch jener Mann, durch den Hammelburg erst zu einem Ort des Anstoßes wurde. Er wolle keine Ikone sein, sagt Michael Sell nach der Veranstaltung. Deshalb sei es gut, dass es den Menschen in Hammelburg bei ihrer Initiative nicht um seine Rückkehr gehe, sondern um Reformen. Er sei stolz, dass sie einen langen Atem hätten.

Von Christian Wölfel

http://www.katholisch.de/Nachricht.aspx?NId=5153

Zuletzt geändert am 01­.11.2010