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Veröffentlicht am 10­.05.2010

10.5.2010 - Süddeutsche Zeitung

Zweifel am Zölibat

Katholiken hoffen auf einen Neuanfang und fordern Reformen in der Kirche

Von Matthias Drobinski

München – Aufatmen, Erleichterung, Betroffenheit – Begriffe wie diese beschreiben die Gemütsverfassung der katholischen Bischöfe in Deutschland, da nun Papst Benedikt XVI. Konsequenz gezeigt und das Rücktrittsgesuch ihres Augsburger Mitbruders Walter Mixa schnell angenommen hat. Allzu fürchterlich waren die Szenarien gewesen: Bis zuletzt hat Mixa offenbar überlegt, vom Rücktritt zurückzutreten; die entsprechende Pressemitteilung soll er bereits formuliert haben. Wenige Tage vor dem Ökumenischen Kirchentag hätte also ein Bischof, dem sexueller Missbrauch, Prügel und Veruntreuung vorgeworfen und ein Alkoholproblem nachgesagt wird, unberührt von all dem erklärt, dass er weitermachen will. Für die katholische Kirche wäre dies eine Katastrophe gewesen.

Und so kommt der Dank, den der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg, und der Münchner Erzbischof Reinhard Marx dem Papst an diesem Wochenende abstatten, aus tiefstem Herzen. Die Vorgänge hätten die katholische Kirche in Deutschland sehr belastet, erklärte Zollitsch, „der Verlust der Glaubwürdigkeit wiegt schwer”. Umso wichtiger sei es, den eingeschlagenen Weg der Erneuerung fortsetzen. Marx betonte, mit der Annahme des Rücktrittsgesuchs werde eine Zeit der Unsicherheit im Bistum Augsburg beendet. Marx und Zollitsch hatten in einer kirchengeschichtlich einmaligen Aktion Mixa zum Rücktritt gedrängt und ihn in einer Klinik in der Schweiz besucht, um ihn zum endgültigen Amtsverzicht zu bewegen. Offenbar war da schon fast allen Bischöfen klar, dass Mixa nicht im Amt bleiben kann, ohne das Ansehen der katholischen Kirche auf Jahre hinaus zu beschädigen; einzig der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller muss Mixa noch sehr lange geraten haben, die Sache irgendwie durchzustehen. Nun spricht sein Würzburger Amtskollege Friedhelm Hofmann von einem „bedrückenden Vorgang”. Es sei „eine schmerzhafte Angelegenheit, einen Mitbruder auf diese Weise zu verlieren”. Auch der Satz dürfte mehrheitsfähig unter den deutschen Bischöfen sein – schmerzhaft ist der Vorgang aber auch deshalb, weil offenbar in den vergangenen Jahren keiner der Brüder Mixa nahebringen konnte oder wollte, dass er ein fundamentales Problem hat.

Auch die Reformbewegung „Wir sind Kirche” zeigte sich erleichtert über die Entscheidung des Papstes. Um den „durch das lange Taktieren von Bischof Mixa” entstandenen Ansehens- und Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche nicht noch zu vergrößern, müssten alle Vorwürfe umfassend und möglichst schnell aufgeklärt werden. Dabei dürfe es keinen „Bischofs-Bonus” geben.

So groß jetzt die Erleichterung ist – die Debatte um die Folgen und Konsequenzen aus dem Fall Mixa wird so schnell nicht enden. Der bayerische Landtags-Vizepräsident Franz Maget (SPD) – selber ein engagierter Katholik – fordert eine grundlegende Abkehr der katholischen Kirche von ihrer bisherigen Sexualmoral. Dabei sei der Zölibat nur ein Aspekt, auch Themen wie Empfängnisverhütung und Homosexualität gehörten auf die Tagesordnung. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sprach sich im Spiegel dafür aus, zu überlegen, ob man einfachen Pfarrern die Ehe erlaube. „Ich wäre dafür, dass man ernsthaft darüber nachdenkt”, sagte er. Auch in der Kirchenführung werde darüber gesprochen: „Ich bin nicht der Einzige.” Der Zölibat gehöre aber zur Kirche und müsse von Bischöfen, Ordensleuten und Domkapitularen gelebt werden. Laut dem ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, sei derzeit zwar der falsche Zeitpunkt für eine Debatte über den Pflichtzölibat. Er glaube aber, dass der Papst längst über das Thema nachdenke, sagte Lehmann.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer versuchte dagegen zu beruhigen: Der Vorgang sei zwar „sehr bitter”, aber man solle nun nicht die gesamte Kirche in Frage stellen, sagte der CSU-Politiker. Mixa und die Folgen – für die katholischen Teilnehmer ist das zum heimlichen Hauptthema des Ökumenischen Kirchentags in München geworden.

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Die Debatte um Konsequenzen aus dem Fall wird so schnell nicht enden.

Rücktritt nur nach päpstlicher Erlaubnis

Ein Bischof der katholischen Kirche kann nicht einfach zurücktreten – er kann nur den Papst bitten, ihn von seinem Amt zu entpflichten. Normalerweise geschieht das, wenn ein Bischof 75 Jahre alt wird. Nach Artikel 401, Paragraph 2 des katholischen Kirchengesetzbuchs kann der Papst aber auch dann ein Gesuch annehmen, wenn der Geistliche wegen Krankheit oder „anderer schwerwiegender Gründe” nicht mehr dazu in der Lage ist, sein Amt ordnungsgemäß auszuüben. Welche Gründe dies sind, steht jedoch nicht im Kirchenrecht. Es gibt dem Papst hier eine möglichst große Handlungsfreiheit. Papst Benedikt XVI. hat in diesem Fall seine Freiheit genutzt, um das Rücktrittsgesuch des Augsburger Bischofs Walter Mixa schnell anzunehmen. mad

Erzbischof Ludwig Schick will einfachen Pfarrern die Ehe erlauben.

Zuletzt geändert am 22­.05.2010