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Veröffentlicht am 05­.02.2010

5.2.2010 - Stuttgarter Zeitung

Missbrauchsskandal. Schwierige Suche nach Wahrheit

Michael Trauthig

Stuttgart/Rottenburg - Mal gibt es Hinweise aus der Gemeinde, mal meldet sich ein Opfer oder die Staatsanwaltschaft beim Bistum. Manchmal erfährt die katholische Kirche aber erst aus den Medien von dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen einen Geistlichen oder gegen andere Mitarbeiter. So ging es der Diözese Rottenburg-Stuttgart etwa vor drei Jahren. Da wurde ein einstiger Vikar vom Heilbronner Landgericht zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Jahre zuvor eine damals noch jugendliche Frau begrapscht hatte. Obwohl die Tat lange zurücklag und von der Justiz geahndet wurde, hat die Kirche den Betreffenden seines geistlichen Amtes enthoben.

Rom wollte es so. Denn die Regeln sind seit 2001/02 streng. Der Vatikan verlangt nun, dass ihm alle Fälle gemeldet werden. Zudem haben die Bistümer Richtlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch verabschiedet und selbst Anlaufstellen für Betroffene eingerichtet. "Intern sind die Dinge nun besser geregelt", sagt Siegbert Maier-Borst von der Kirchenvolksbewegung. "Aber die Öffentlichkeit scheut man noch." Andere Kritiker monieren, dass die Leitlinien nicht verbindlich sind.

Nicht überall herrsche die gleiche Konsequenz wie im Bistum Rottenburg-Stuttgart, heißt es. Hier setzt eine strenge Verfahrensordnung eine ganze Maschinerie in Gang. Alle kirchlichen Mitarbeiter müssen Verdachtsfälle sofort melden. Eine unabhängige Kommission überwacht das weitere Vorgehen. Das Opfer soll rasch Unterstützung erfahren. Die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft ist ebenso geregelt wie die Information der Öffentlichkeit. Noch dazu wird vorgeschrieben, dass kirchliche Mitarbeiter, die sich an Kindern vergangen haben, selbst nach einer Therapie nicht mehr Aufgaben erhalten, die sie in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen bringen. Das klingt einfach, doch der Umgang mit Beschuldigungen ist schwierig. Das zeigt eine Bilanz, die Rottenburg jetzt auf Anfrage der StZ erstellt hat. Von den 23 Hinweisen auf solche Taten, die seit 2001 im Ordinariat eingingen, erledigte sich der Verdacht sechs mal rasch.

Andere Vorwürfe richteten sich gegen Tote. Oder ein Anfangsverdacht löste sich in Luft auf, weil ein "Hoppe-Hoppe-Reiter-Spiel" doch harmloser war, als es zunächst schien. Letztlich landeten von den 23 Hinweisen nur fünf Fälle beim Staatsanwalt, wobei den Vikar in Heilbronn das härteste Urteil traf. Sonst gab es nur drei Strafbefehle. Aber auch die, so heißt es, bedeuteten keine Schuldanerkenntnis. So wollten Geistliche durch die Akzeptanz einer Buße auch vermeiden, vor Gericht aufzutreten. Bei rund 2000 Hauptamtlichen bewege man sich im Promillebereich, heißt es in der Diözese. Diese sieht sich auf dem richtigen Weg. Zugleich gibt man sich bescheiden. "Wir wollen der Gefahr des Vertuschens vorbeugen", sagt ein Sprecher.

Zuletzt geändert am 05­.02.2010