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Veröffentlicht am 25­.05.2009

8.5.2009 - Publik-Forum

Muskelspiele der »M-Bande«

Mit der Ablehnung Heinz-Wilhelm Brockmanns als Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zeigen die konservativen Bischöfe: Wer katholisch ist, bestimmen wir

Von Hartmut Meesmann

Die bischöfliche »M-Bande« hat mal wieder ihre Muskeln spielen lassen. Unter Führung des einflussreichen Kölner Kardinals Joachim Meisner haben Müller, Mixa und Co dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) knallhart gezeigt, was eine Harke ist, und deren Kandidaten für das Präsidentschaftsamt abblitzen lassen. Heinz-Wilhelm Brockmann, Staatssekretär im hessischen Kultusministerium und einer der vier ZdK-Vizepräsidenten, ist den Hardlinern unter den Bischöfen zu fortschrittlich, zu unbequem, zu wenig katholisch.

Laut Statut muss ein ZdK-Präsident die Zustimmung der Bischöfe erhalten. Die notwendige Zweidrittelmehrheit im Ständigen Rat der Bischofskonferenz bekam der 61-jährige CDU-Politiker Brockmann aus Osnabrück bei einer Vorabanfrage des Laienparlaments jedoch nicht, weil Meisner und Co die Sperrminorität besitzen. Damit haben sie einen noch nie da gewesenen Konflikt mit dem ZdK heraufbeschworen, das die derzeit 125 katholischen Verbände und 27 Diözesanräte vertritt und das Männer wie Meisner und Müller am liebsten abgeschafft sähen. Sie haben aber auch die Mehrheit ihrer Bischofskollegen desavouiert, die Brockmann schätzen oder zumindest nichts gegen ihn haben. Der frühere Abteilungsleiter im niedersächsischen Kultusministerium gilt durchaus als streitbar, ehrgeizig und zielstrebig; doch tritt er zugleich vermittelnd und jovial auf und ist in seinem Eintreten für die katholische Kirche unerschütterlich. Doch den Argwohn der Konservativen hat er erregt, weil er seinerzeit den Verein Donum vitae mit begründete, der Schwangere in Not berät und auch den Beratungsschein ausstellt, der zu einer straffreien Abtreibung berechtigt. Allerdings hatte Brockmann sehr bald alle Ämter in dem Verein niedergelegt – gerade um sich keine Blöße zu geben und vermittelbar zu bleiben. Dass Brockmann auch Mitbegründer von Publik-Forum ist, zählt in den Augen der Steinzeit- Katholiken eher zu seinen »Jugendsünden«, macht ihn aber in ihren Augen auch nicht gerade sympathischer.

Brockmann stößt bei den rückwärtsgewandten Bischöfen auch deshalb auf Ablehnung, weil er die Rolle der Laien stärken möchte und entschieden für ein pastorales Zukunftsgespräch über notwendige Reformen in der deutschen Kirche eintritt. Auf einem gemeinsamen Studientag zwischen Bischöfen und ZdK, der noch unmittelbar vor der Sitzung des Ständigen Rates stattfand und der Vertrauensbildung dienen sollte – Kardinal Meisner war dem Vernehmen nach nicht anwesend –, hatte Brockmann in einem Impulsreferat erklärt, die Menschen gewinne man für einen Einsatz in der Kirche nur, »wenn man ihnen Verantwortung überträgt, weil man ihnen etwas zutraut«. Er hatte gefragt, ob »wir schon die Sprache und Formen gefunden haben, wie wir mit grundsätzlichen Fragen der modernen Zeit umgehen, selbstlos und ohne Absicht auf Bekehrung, als Dienst an den Fragen unserer Zeit?« Und er hatte im Blick auf die Zusammenlegungen der Gemeinden in fast allen Bistümern kritisiert, »dass wir in Deutschland zu schnell Zutrauen zu großen Seelsorgeeinheiten gefasst haben« und dass »wohnortnahe Strukturen« unverzichtbar blieben.

Das Entsetzen und die »Fassungslosigkeit« bei vielen Mitgliedern des ZdK über die eiskalte Machtdemonstration der Meisner-Truppe ist auch deshalb so groß, weil ihnen wohl dämmert, dass ein ehrliches und engagiertes Eintreten für die katholische Kirche bei den Glaubenswächtern nichts zählt, wenn es »ideologisch« nicht mit einem absoluten Gehorsam verbunden ist. Es zählt nichts, dass Brockmann sich in seinem Bistum stets an vorderster Stelle und gleichzeitig loyal engagiert hat, weswegen der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode die Ablehnung Brockmanns denn auch sehr bedauert. Es zählt auch nichts, dass er sich als Mitglied des Kolpingwerks »über viele Jahre um die organisierte katholische Laienarbeit in der Bundesrepublik verdient gemacht hat«, wie der Bundesvorsitzende des Kolpingwerkes und CDU-Abgeordnete Thomas Dörflinger erschüttert mitteilte. Brockmann ist das Opfer zwanghaft-autoritärer Charaktere geworden, bei denen nur eines zählt: demütige Unterwerfung.

Nun wird die Wahl des Nachfolgers von Hans Joachim Meyer, der dem Zentralkomitee zwölf Jahre vorstand, wohl auf den Herbst verschoben – jedenfalls ist das der einstimmige Wunsch des Präsidiums. Entscheiden wird die Vollversammlung am zweiten Mai-Wochenende. Und da wird es auch Widerstand geben gegen die Bevormundung durch die Bischöfe. Heinz-Wilhelm Brockmann aber ist aus dem Rennen. Möglich, dass Hermann Kues, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, antritt, der eine Kampfkandidatur gegen Brockmann zuvor abgelehnt hatte. Gesucht wird ein politisches und diplomatisches Schwergewicht – Kriterien, die einigen ZdKlern bei Brockmann nicht gegeben schienen, weshalb sie von dessen Kandidatur nicht gerade begeistert waren. Wer immer im Herbst antritt, wird es jedenfalls schwer haben: Er oder sie wird als Marionette der Bischöfe erscheinen. Eine undankbare Aufgabe.

Doch erst einmal muss der entstandene Scherbenhaufen zusammengekehrt werden. Auch innerhalb des Zentralkomitees gibt es Streit darüber, wie sich das Laienparlament künftig am besten aufstellen sollte. Die einen, zu denen auch Generalsekretär Stephan Vesper, ein Gegner Brockmanns, zählt, plädieren für innerkirchliche Zurückhaltung. Sie wollen den politischen Einfluss des ZdK in einer immer pluralistischer und säkularer gewordenen Gesellschaft stärken. Die anderen sehen, dass der innerkirchliche Reformstau die Zukunftsfähigkeit der Kirche blockiert und möchten die Bischöfe hier stärker fordern. Zu dieser Gruppe zählt auch Brockmann.

Bei der gemeinsamen Studientagung mit den Bischöfen hatte der ZdK-Vizepräsident erklärt: »Im ZdK haben wir seit einiger Zeit den Wunsch geäußert, dass wir auch in der ganzen Kirche in Deutschland mehr ausformulierte gemeinsame Zielvorstellungen brauchen, mit denen wir heute beschreiben, wie unsere Kirche in etlichen Jahren aussehen könnte und sollte. Denn indem wir Zielvorstellungen beschreiben, können wir gemeinsam die Kraft gewinnen, uns dafür einzusetzen, und stecken andere mit dieser Kraft an.« Und weiter sagte Brockmann: »Wir müssen auch in der Kirche dafür sorgen, dass neue Kräfte freigesetzt werden, dass bei möglichst vielen die Bereitschaft besteht, sich für unsere Kirche einzusetzen.« Für eine rückwärtsgewandte und autoritäre Kirche à la Meisner und Co werden sich allerdings nur wenige Menschen einsetzen. Eine solche Kirche ist einfach nur eines: uninspiriert. Aus: Publik-Forum, Zeitung kritischer Christen, Oberursel, Ausgabe 9/2009

Zuletzt geändert am 25­.05.2009