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Veröffentlicht am 05­.03.2009

5.3.2009 - ZEIT ONLINE

Windelweicher Umgang mit Williamson

Über Exorzismus und Heimpflege haben sich die katholischen Bischöfe Deutschlands schnell geeinigt. Um ihre Position zu den Pius-Brüdern dagegen rangen sie hart.

Für ihre Herbstkonferenz wählte die Deutsche Bischofskonferenz erstmals kein kirchliches Tagungszentrum. Die obersten Vertreter der 27 Diözesen zogen sich hinter die beigen Klinkerfassade des Hotel Grand Elysée inmitten des protestantischen Hamburg zurück.

Das bedeutet mehr Komfort und weniger organisatorische Sorgen. "Es ist einfach praktischer", heißt es am Rande der Versammlung. Doch mit dem Ortswechsel haben die Träger der schwarz-violetten Ornate auch einen Schritt weiter in die Welt hinaus getan. Und dort lauern Probleme und Sorgen, Kritik und Protest.

Am Ende der viertägigen Konferenz stand ein Kommuniqué. Einstimmig verabschiedeten die Bischöfe ein Papier "zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche". Die Herbstkonferenz sollte eigentlich von Glaubensfragen bestimmt sein, von Fragen zum Gottesdienstablauf oder der Ökumene, gewissen Reiz verströmte das Thema "Exorzismus-Rituale".

Irgendwann im Januar war dann klar, dass die Wirtschaftskrise die Gespräche dominieren wird. Als wenig später die in Frankreich entstandene erzkonservative Pius-Bruderschaft und ihr umstrittenstes Mitglied Richard Williamson inner- wie außerkirchlich für Diskussionen sorgten, habe Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, dies kurzerhand selbst auf die Tagesordnung gesetzt, sagte sein Sprecher.

In sechs von sieben Absätzen ihres Abschlusspapiers setzen sich die Verfasser mit der Pius-Bruderschaft auseinander, die sie "außerhalb der katholischen Tradition" verorten. In keiner der Pressekonferenzen in Hamburg blieb das Thema ausgespart, teils zum Ärger der Kirchenmänner.

Denn im Umgang mit der Traditionalistenkaste war Papst Benedikt XVI. ein Fehler unterlaufen. Er hob den vor Jahren verfügten Ausschluss von vier Mitgliedern der Pius-Bruderschaft aus der katholischen Kirche auf und hoffte, dass die Traditionalisten anschließend die bisher praktizierte Blockade sämtlicher Kirchenreformen aufgeben. Umgekehrt wäre richtiger gewesen, denn nun rebellierte das Kirchenvolk und trat scharenweise aus.

Seither arbeitet Zollitschs Kirche an vielen Baustellen: Zu den Pius-Brüdern und der Holocaust-Lüge kam die Basis hinzu: Die Laien-Bewegung "Wir sind Kirche" kämpft gegen die reformfeindlichen Kräfte mit einer Unterschriftensammlung im Internet. Für ihre Anhänger ist das Zweite Vatikanische Konzil gefährdet, eine innerkirchliche Reformveranstaltung in den sechziger Jahren, aber von unveränderter Bedeutung.

Sie fürchten, dass Teile der Messe demnächst in Latein gehalten werden sollen und klagen über antisemitische Umtriebe in ihrer Kirche: Per Dekret sollten die Gläubigen am Karfreitag für die Bekehrung der Juden beten. Bisher kam es zum Glück nicht dazu.

Das Resultat: Der ältesten christlichen Glaubensgemeinschaft der Menschheitsgeschichte droht die Spaltung. Zollitsch selbst warnte am Rande der Hamburger Konferenz vor einem "Riss der katholischen Kirche in Deutschland". Mühsam versuchen die Bischöfe den Bruch mit den von "Wir sind Kirche" organisierten papstkritischen Mitgliedern zu vermeiden. Das Wirken von Benedikt XVI. sei "kein Pontifikat des Rückwärtsgangs in vergangene Zeiten", beteuert Hans Langendörfer, Sekretär der Bischofskonferenz.


"Besonders bedrückend" ist für die Bischöfe, dass der Holocaust-Leugner Williamson sich weigert, die historische Wahrheit der geplanten und massenhaften Judenvernichtung zu akzeptieren. Der Brite selbst solle seine Worte widerrufen, verlangen sie in ihrem Abschlusspapier. Mehr jedoch nicht. Von Papst Benedikt XVI. zu erwarten, dass er die Wiederaufnahme in die Kirche zurücknimmt oder wenigstens im Nachhinein als Fehler bezeichnen, geht den Repräsentanten der deutschen Diözesen zu weit.

Denn das hieße, einen Konflikt mit dem Vatikan zu riskieren. Und das wäre die nächste Baustelle. Der durch Williamson entzündete Disput mit den Juden bereitete Mühe genug. Papst und Bischöfe waren zu einer Klarstellung gezwungen, um eine dauerhafte Blockade des christlich-jüdischen Dialogs zu vermeiden.

Williamsons Wiederaufnahme in die Kirche müsse rückgängig gemacht werden, fordert Zollitsch. Doch das sei "seine persönliche Überzeugung". Ins Abschlusspapier fand die Feststellung, dass es dem Apostolischen Stuhl obliege, zu klären, ob die Pius-Bruderschaft die katholische Lehre und ihrer Reform akzeptiere oder nicht. "Die Dokumente des zweiten Vatikanischen Konzils gehören unaufgebbar zur katholischen Tradition", betonten die Bischöfe gemeinsam.

Solche Diskrepanz zwischen seiner und der Mehrheitshaltung lächelt der stets fröhlich wirkende Zollitsch einfach weg. Für ihn ist Williamson "schlichtweg borniert". Für ihn auch klar, dass die Aussichten erfolgreicher Integration der Pius-Brüder in die Kirche gering sind. Im einstimmig verabschiedeten Papier haben Williamson und seine Gefährten dagegen eine weit größere Chance.

Zuletzt geändert am 06­.03.2009