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Veröffentlicht am 04­.03.2009

4.3.2009 - Süddeutsche Zeitung

Erdbeben im Seelenhaushalt

Selten gab es so viel Aufregung um das katholische Führungspersonal wie in den letzten Wochen, weshalb die Bischöfe in Hamburg Einigkeit demonstrieren müssen

Von Matthias Drobinski

Hamburg – Elysium. Das ist das antike Paradies, in das die Götter die Helden entrückten. Es soll dort, kurz gesagt, schön sein. Ans Paradies also mögen die Namensgeber des Luxushotels Elysee in Hamburg-Rothenbaum gedacht haben; aus dem Wellness-Bereich, der hier Elysium heißt, duftet es nach Eukalyptus, manchmal gehen Menschen im Bademantel vorbei und schauen auf die Männer in Schwarz, die sich da unten versammelt haben. Ein ungewöhnlicher Ort für eine Frühjahrs-Versammlung der deutschen Bischöfe, sonst trifft man sich in kirchlichen Häusern mit schmalen Betten und Hausmannskost. In Hamburg aber sind die Katholiken eine kleine Minderheit, das Erzbistum hat kein Haus für das Treffen der fast 70 Hirten. So ist der Luxus über die Bischöfe gekommen, zum Preis eines Tagungshauses, wird versichert.

Eine Entschädigung vielleicht für das, was über sie hinweggefegt ist – dicke Teppiche dämpfen die Sorgen. Papst Benedikt hat die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Priesterbruderschaft Pius X. aufgehoben, einer leugnet den Holocaust. Gerade in Deutschland empört das viele Menschen, bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zehntausende Gläubige haben eine Petition unterschrieben, die den Papst bittet, diesen Schritt zu korrigieren. Für die deutschen Bischöfe ist die Lage schwierig: Die Sache traf sie unvorbereitet, alle haben erklärt, dass sie wenig von den Piusbrüdern und gar nichts von Antisemitismus halten, trotzdem hört die Kritik an der Kirche nicht auf, wohinter nun einige Bischöfe eine Kampagne vermuten. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller bedroht drei Theologen mit Strafe, weil sie die Petition unterschrieben haben. Und dann soll noch der Augsburger Bischof Walter Mixa in einer Rede den Holocaust und die Abtreibungen in einen Zusammenhang gebracht haben. So viel Aufregung ums katholische Führungspersonal gab es lange nicht mehr, 80 Journalisten haben sich akkreditiert, wo sonst vielleicht zehn kommen.

Die Beratungen der Bischofskonferenz sind nichtöffentlich, es gibt aber einen Bereich, wo sich Hirten und Journalisten begegnen können, ähnlich wie vor den Umkleidekabinen eines Fußballstadions. An diesem Morgen, an dem die Bischöfe über die Piusbrüderkrise debattieren, geht es in dieser Mixed Zone zu wie nach einer 2:5-Heimniederlage. „Seids doch ein bisschen fair mit mir”, sagt Bischof Walter Mixa, man merkt, wie nahe ihm die Kritik der vergangenen Tage geht. Er habe an zwei verschiedenen Stellen vom Holocaust und der Abtreibung geredet, „da gab es keinen Zusammenhang”. Der Judenmord sei „ein furchtbares und mit nichts zu vergleichendes Verbrechen gewesen”, sagt er, ruft es fast. „Aber ich muss doch auch sagen dürfen, dass die vielen Abtreibungen einer Kultur des Lebens entgegenstehen!”

Es sind emotional aufgeladene Tage in der katholischen Kirche. Gerhard Ludwig Müller, dessen Vorgehen auch bei den Bischöfen auf Kritik stößt, geht wortlos vorbei. Sein Münchner Amtsbruder Reinhard Marx grüßt strahlend und verschwindet Richtung Fahrstuhl. Aber Werner Thissen redet, der Hamburger Erzbischof: „40 Jahre haben wir für die Umsetzung des Konzils gekämpft, jetzt brauchen die Gemeinden Klarheit, dass sich daran nichts ändert.” Und Heinz Josef Algermissen aus Fulda lässt seinen Emotionen freien Lauf. „So etwas wie in den vergangenen fünf Wochen darf sich nie mehr wiederholen”, sagt er. Für ihn sei die Aufhebung der Exkommunikation „eine Anfechtung sondergleichen” gewesen. Das sagt einiges über den Seelenhaushalt der Konferenz. Dann sagt Algermissen: „Wir Bischöfe dürfen uns jetzt nicht auseinanderbringen lassen.”

Das ist das trotzige Credo der Versammlung: Wir halten zusammen. Das zu verkünden ist allerdings eine schwierige Aufgabe bei einem Episkopat, der durchaus auseinanderstrebt, auch wenn Bischöfe, fragt man sie, alle betonen, dass es zwar „süd- und norddeutsche Färbungen” gebe, wie einer sagt, aber keine Risse. Der Zusammenhalt ist die Aufgabe von Robert Zollitsch, dem Erzbischof von Freiburg und Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Ein Jahr ist er nun im Amt. Und jetzt zeigt sich, warum die Bischöfe ihn, den Moderator, wählten. Er verteidigt Papst Benedikt XVI., verlangt dann aber indirekt die erneute Exkommunikation der Piusbrüder, wenn sie sich nicht zum Konzil bekennen. Er distanziert sich von Mixas Vergleich, ohne scharf zu werden. Die Gruppe zusammenzuhalten ist ihm wichtiger als das medienwirksame Statement.

Zollitschs Gedankenwelt entfaltet sich auch im Eröffnungsgottesdienst. Mit Bussen fahren die Bischöfe zum Mariendom in den Stadtteil St. Georg, wo Szene und Drogenszene nebeneinander wohnen und wo Erzbischof Thissen manchmal morgens die Spritzen vorm Bischofshaus aufsammelt; mancher Hirte war noch nie hier. „Katholische Bischöfe kommen nicht so oft nach Hamburg”, beginnt Zollitsch. Doch „Wind und Stürme sind wir gewohnt, warm anziehen müssen wir uns des Öfteren.” Das Evangelium böte die Steilvorlage für eine strenge Fastenpredigt: Jesus teilt die Schafherde am Ende der Tage in Gut und Böse. Zollitsch redet aber über das Heilige in einer säkularen Welt, dass die Kirche das Heilige in die Welt bringen solle, „mit dem nötigen Realismus”. Ohne dass das Wort Piusbrüder fällt: Es ist das Gegenprogramm zu den Traditionalisten.

Ob das reicht, um die katholische Kirche aus der Defensive zu holen? Der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche”, die die von den Bischöfen kritisierte Petition unterstützt, genügt das nicht. „36.300” schreibt Christian Weisner, der „Wir-sind-Kirche”-Sprecher, rot aufs Papier, so viele Menschen haben bislang unterschrieben, die Aktion soll bis Gründonnerstag weitergehen. Der Journalist und Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck ist da, die Petition sei „ein Aufschrei der Wut”, sagt er. Er habe noch die Aufbruchszeit des Konzils miterlebt – „jetzt wird der Rückwärtsgang eingelegt.” Der Erfolg der Petition aber zeige, dass das Kirchenvolk sich dies nicht bieten lasse. Um 15 Uhr stehen die Initiatoren in der Mixed Zone, Pater Hans Langendörfer, der Sekretär der Bischofskonferenz, ist gekommen. „Wir bitten Sie, unser Anliegen den Bischöfen weiterzusagen”, sagt Weisner. „Sie wissen, dass die Konferenz teils gegensätzlicher Meinung ist”, antwortet Langendörfer. Und nimmt das Papier entgegen.

Anderswo fallen die deutlichen Worte hinter verschlossenen Türen. Bei dem Treffen der Rabbinerkonferenz mit Vertretern der Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Beispiel, am Montagmittag. Eineinhalb Stunden diskutieren Christen und Juden, „die Katholiken bekamen einiges zu hören”, hieß es später aus Teilnehmerkreisen, wobei es Lob für die Bischöfe und scharfe Kritik am Vatikan gab. Und am Ende versöhnliche Gesten: Die evangelische Bischöfin Maria Jepsen, Rabbiner Henry Brandt und der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke posieren Arm in Arm zum Foto.

Erst an diesem Mittwoch wird klar sein, was die Bischöfe zum Skandal um die Piusbrüder sagen. Offenbar tendiert eine Mehrheit dazu, einen Brief an die Gemeinden zu schreiben, um zu sagen: Es gibt kein Zurück hinter das Reform-Konzil. „Das wird auch ein Signal Richtung Rom sein”, sagt ein Bischof.

Zuletzt geändert am 05­.03.2009