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Veröffentlicht am 28­.10.2008

28.10.2008 - Stuttgarter Zeitung

Traditionalisten fühlen sich ausgebremst

Lateinische Messe wird jetzt öfter gefeiert - Konservative Katholiken dennoch enttäuscht

Der Erlass des Papstes von 2007 wirkt. Die Zahl der Orte, an denen die tridentinische Messe gefeiert wird, hat sich verdreifacht. Die Anhänger dieses Ritus sind gleichwohl unzufrieden. Sie beklagen Schikanen durch die deutschen Bischöfe.

Von Michael Trauthig

Was Monika Rheinschmitt erzählt, klingt nach Diktatur und nicht, als rede die 47 jährige über eine Glaubensgemeinschaft, die der Nächstenliebe verpflichtet ist. Sie spricht von der katholischen Kirche. Dort gebe es Einschüchterungen, hätten Priester Furcht vor Mobbing und vor einem Karriereknick, falls sie sich öffentlich für die lateinische Messe erwärmten. „Die Pfarrer haben Angst“, sagt die Vorsitzende von Pro Missa Tridentina. Die 600 Mitglieder starke Laienvereinigung setzt sich für den alten Ritus ein. Sie witterte Morgenluft, als vor einem Jahr Papst Benedikt XVI. den auf den Priester konzentrierten, tridentinischen Gottesdienst aufwertete.

Fortan sollte nicht die Ausnahmegenehmigung des Ortsbischofs, sondern das Bedürfnis der Gläubigen entscheidend sein. Für die Konservativen war dies Anlass für eine Kampagne. Sie schalteten Anzeigen, warben mit Prospekten sowie im Internet und verstärkten ihre Schulungen für Theologen, Ministranten und Chorsänger. Ihr Ziel: die alte Messe sollte sich ausbreiten. Das Ergebnis macht die Konservativen, die auch in der Petrusbruderschaft oder der Vereinigung Pro Sancta Ecclesia organisiert sind, nicht glücklich. „Die Lage hat sich gebessert, ist aber nicht zufriedenstellend“, sagt Rheinschmitt. Wurde vor dem römischen Erlass an 31 Orten der tridentinische Gottesdienst gefeiert, sind es laut Deutscher Bischofskonferenz (DBK) jetzt 98.

Laut der DBK hat sich die Zahl der Priester, die das nötige liturgische Wissen mitbrin gen, auf 145 fast verdoppelt. Damit würden die Wünsche der Gemeindeglieder erfüllt, meint die Bischofskonferenz. Insgesamt sei die Nachfrage allerdings sehr begrenzt. Dies sieht Rheinschmitt freilich anders, Die Anliegen der Gläubigen würden nicht flächendeckend aufgenommen. „Wir werden vielmehr von den Bischöfen ausgebremst.“ Zum einen hält Rheinschmitt die offiziellen Zahlen für zu niedrig. In Wahrheit gebe es 125 derartige Messorte. Zum anderen listet ihre Vereinigung mehr als 60 Gemeinden auf, wo trotz Anfragen keine lateinische Messe abgehalten werde, diese zu selten stattfinde oder zu ungünstigen Zeiten - etwa montags um halb acht. „So wird der Wille des Heiligen Vaters unterlaufen“, sagt Rheinschmitt.

    Sinnvoller wäre gewesen, Benedikt hätte der Masse der Gläubigen die Hand gereicht, die sich mehr Demokratie und Gleichberechtigung in der Kirche wünschen.

    Karl Graml von der kirchenreformerischen Organisation Wir sind Kirche

Die Informatikerin beklagt, dass den Konservativen bürokratische und organisatorische Knüppel zwischen die Beine geworfen würden. Sie berichtet, dass junge Priester eingeschüchtert seien. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart hätten sich zwar 20 Nachwuchstheologen für eine Fortbildung im alten Ritus interessiert, nur drei seien aber zu dem Seminar gekommen. Die anderen hätten sich nicht getraut. Eine ähnliche Atmosphäre herrsche in den meisten der 27 Diözesen. Ausnahmen seien Eichstätt und Speyer. Die Bischofskonferenz hält solche Vorwürfe für aus der Luft gegriffen. „Allein die Steigerung der Messorte zeigt, dass die Vorgabe des Papstes umgesetzt wird“, betont die Sprecherin Stefanie Uphues. Auch die Diözese Rottenburg-Stuttgart, wo es nur in zwei Gemeinden den außerordentlichen Ritus gibt, sieht sich zu Unrecht beschuldigt. Von organisatorischen Hürden könne keine Rede sein. „Das Interesse der Gläubigen ist vielmehr gering. So gibt es keinen Grund zu handeln“, sagt der Sprecher Thomas Broch.

Um die Genehmigung des alten Gottesdienstes zu erhalten, muss sich laut den DBK-Leitlinien eine Gruppe an einem Ort zusammenfinden. Dies macht offenbar Probleme. Broch hat sogar von fingierten Listen gehört. „Da muss man genau schauen, ob nicht Kinder oder Leute aus anderen Dekanaten aufgeführt werden.“

Überdies fehlt es wohl an geeigneten Priestern. Die jungen seien nicht entsprechend ausgebildet, so Broch. Und viele ältere hätten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil für die moderne, verständlichere und stärker auf die Gemeinde ausgerichtete Messe gekämpft. „Die wollen nicht mehr zurück.“ Auch gibt Broch zu, dass das Bistum kirchenpolitisch einen anderen Kurs steuert. Den konservativen Gruppen gehe es nämlich nicht nur um würdevollere Gottesdienste. Sie wollten wie in der Vergangenheit mehr Hierarchie und weniger Ökumene. „Das widerspricht unserer Linie“, so Broch.

Die Kirchenreformer werten die Vorwürfe aus der rechten Ecke ebenfalls als Ausdruck der Enttäuschung. „Die Traditionalisten hatten sich eine größere Resonanz erhofft“, sagt Karl Graml. Der Mann von Wir sind Kirche ergänzt dieses Urteil mit Kritik am Papst. Der habe mit seinem Erlass ein Signal der Aussöhnung an die von Rom getrennte, konservative Priesterbruderschaft Pius X. senden wollen, das aber nicht erhört wurde. „Sinnvoller wäre gewesen“, so Graml, „Benedikt hätte der Masse der Gläubigen die Hand gereicht, die sich mehr Demokratie und Gleichberechtigung in der Kirche wünschen.“

Zuletzt geändert am 31­.10.2008