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Veröffentlicht am 06­.03.2006

6. März 2006 - Süddeutsche Zeitung

Profil: Gerhard Ludwig Müller streitlustiger Bischof von Regensburg

Deutschland wirklich bewegt, steht selten auf der Tagesordnung ihrer Vollversammlungen, und so ist es auch diesmal, wenn die Hirten sich von diesem Montag an in Berlin treffen. Offiziell reden sie über die Familien- und Zuwanderungspolitik. Doch wenn zwei oder drei von ihnen zusammenstehen, kommt die Rede schnell auf den längsten unter den Amtsbrüdern: auf den ZweiMeter-Mann Gerhard Ludwig Müller aus Regensburg, dessen Auftritte seine Kollegen Bischöfe ratlos machen. Streit im Bistum gibt es seit dem Amtsantritt Müllers im November 2002. Mal setzt er einen Dekanatsratsvorsitzenden ab, weil der sich nicht von der hierarchiekritischen „Kirchenvolksbewegung" distanziert. Dann maßregelt er Priester, die Eucharistie mit dem falschen Brot feiern oder die mit ihm streiten, wer sich wie vom anderen beleidigt fühlen darf. In keinem Bistum gibt es so viele Konflikte wie in Regensburg. Immer geht es dabei auch um Müllers übersteigertes Amtsverständnis, um sein Gefühl, von Gegnern umstellt und von einer missgünstigen Presse verfolgt zu sein.

Der jüngste Krach hat nun bundesweite Bedeutung. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Diözesanratsvorsitzenden Fritz Wallner hat Müller den bestehenden Rat aufgelöst. Als das Zentralkomitee der deutschen Katholiken dies als „offenen Rechtsbruch" kritisierte, übte Gerhard Ludwig Müller so lange Druck auf die anderen Bischöfe aus, bis er die 74 000 Euro, mit denen das Bistum das Zentralkomitee unterstützte, einbehalten durfte.

Die meisten Hirten sehen dies alles mit zunehmendem Schrecken: Ausgerechnet in dem Jähr, in dem Papst Benedikt XVI. nach Deutschland kommt, läuft einer der Brüder Amok. Die Kardinäle Friedrich Wetter aus München und Karl Lehmann, der Bischofskonferenzvorsitzende, haben versucht, Gerhard Ludwig Müller ins Gewissen zu reden. Müller hat solche Ratschläge brüsk zurückgewiesen. Im Februar hat Müller ein Schreiben an alle Bischöfe verschickt, in dem er sich gegen Einmischungen verwahrt -besonders seinen Doktorvater Kardinal Lehmann soll er dort persönlich und verletzend angreifen: Noch nie hat ein katholischer Bischof so etwas getan.

Dabei passt der am Silvestertag 1948 geborene und in Mainz-Gonsenheim aufgewachsene Müller gar nicht ins Klischee des Hardliners. Er ist ein weltweit anerkannter Theologe, er ist befreundet mit Gustavo Gutierrez, dem peruanischen „Vater der Befreiungstheologie"; er hat über viele Jahre hinweg im Urlaub als Seelsorger bei den Armen in Peru gearbeitet. Er kann, wenn er sich unter Freunden fühlt, ein gewinnender und anregender Gesprächspartner sein. Und dann gibt es wieder den anderen Müller, der sich angstbeißend gegen alle wendet, die er für seine Feinde hält.

Er sei eben nicht der „Direktor einer Folklore-Bewegung", sagt Bischof Müller, und wo es ums Bekenntnis gehe, da könne auch schon einmal Staub aufgewirbelt werden. Zum 25. Jahrestag seiner Priesterweihe hat er gesagt: Weil er sich so tief mit Gott verbunden wisse, sei ihm jeder Anflug von Angst und Furcht völlig fremd.

Matthias Drobinski

Zuletzt geändert am 09­.05.2006