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Veröffentlicht am 19­.05.2008

19.5.2008 -. Domradio

"Reizthemen gibt es in der Kirche genug"

Im Gespräch Christian Weisner

Gut 35 000 Dauergäste haben sich für den Katholikentag in Osnabrück angemeldet, der am Mittwoch beginnt. Zu ihnen zählen auch Christian Weisner und die Gruppe "Wir sind Kirche", die energisch Reformen fordern. Reizthemen gibt es in der katholischen Kirche eigentlich genug", findet Christian Weisner. Vielleicht auch deshalb lässt der 56 Jahre alte Verkehrsplaner, ein engagierter, aber auch sehr kritischer Christ, eigentlich keinen Katholikentag aus. Auf den in Osnabrück freut er sich besonders. Für Osnabrück und den aufgeschlossenen Bischof Franz-Josef Bode sei der Katholikentag "ein großes und faszinierendes Ereignis", meint Weisner, der bis vor einigen Jahren in Hannover lebte und von hier aus das große Kirchenvolksbegehren ausgerufen hat. Auch wenn die offizielle Kirche inzwischen meilenweit entfernt von der Abschaffung der Ehelosigkeit von Priestern ist, hält die Kirchenvolksbewegung ihre Forderung aufrecht: "Wenn man genauer hinschaut, brodelt es doch überall." Die deutschen Bischöfe, meint Weisner, müssten endlich darüber Rechenschaft ablegen, warum sie ein für den vergangenen Herbst geplantes Zukunftsgespräch mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken auf Eis gelegt haben, das sich unter anderem mit dem dramatisch wachsenden Priestermangel beschäftigen sollte. "Die Zahlen sind bestürzend. Schon jetzt hat fast die Hälfte aller katholischen Gemeinden auf der ganzen Welt keinen eigenen Priester mehr; auch die Zahl der Or-denspriester ist gewaltig zurückgegangen, in Deutschland in den letzten 16 Jahren um knapp 28 Prozent."

Weisner sieht eine Hauptursache für diesen Trend in der erzwungenen Ehelosigkeit von Priestern, dabei sei diese weder biblisch noch dogmatisch notwendig. Dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in einem Interview meinte, es gebe keine Denkverbote beim Thema Zölibat, fand Weisner erfrischend. Dass Zollitsch später zurückruderte, werde manche dazu bringen, "wieder einmal an ihrer Kirche zu resignieren".

Diese Resignation finde in aller Stille statt, meint Weisner. Denn das große mediale Interesse, auf das "ein gütig lächelnder Papst³ stoße, stehe in merkwürdigem Gegensatz zur Nichtbeachtung vieler theologischer Aussagen der Bischöfe, vor allem auf dem Gebiet der Sexualmoral. "Langfristig ist diese Entwicklung sehr gefährlich, denn auch als moralische Instanz laviert sich die katholische Kirche so in ein Niemandsland." Dennoch gibt Weisner die Hoffnung nicht auf, dass sich auch in Deutschland irgendwann die Dinge ändern könnten. So habe etwa der nationale Priesterrat Australiens die Aufhebung des Pflichtzölibats verlangt wie auch die Nationalversammlung der brasilianischen Geistlichen: "Überall tut sich was - nur nicht bei uns."

In zwei Veranstaltungen werden Weisners Reformkatholiken, die inzwischen auch im großem Magen der Volkskirche gelandet sind, in Osnabrück etwas Säure verspritzen - und über Themen wie das gemeinsame Abendmahl von Protestanten und Katholiken reden, über die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie und über die Frauenordination. Das sind fast revolutionäre Themen.

Michael B. Berger(c) HAZ 2008

Zuletzt geändert am 19­.05.2008