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Veröffentlicht am 25­.01.2006

25. Januar 2006 - Volksstimme

Papst betont in erster Enzyklika Bedeutung der Liebe

Rom - Papst Benedikt XVI. hat in seiner ersten Enzyklika die christliche Liebe als entscheidende Kraft im Ringen um eine gerechtere und menschenwürdigere Welt hervorgehoben. In dem in Rom veröffentlichten Schreiben "Deus Caritas est" (Gott ist Liebe) betonte er, Gottes- und Nächstenliebe seien untrennbar miteinander verbunden.

Dies sei besonders aktuell in einer Zeit, in der im Namen Gottes zu Gewalt und Hass ausgerufen werde, heißt es mit Blick auf den Terrorismus. Erste Reaktionen waren durchweg positiv: "Kirchenrebell" Hans Küng und die Kirchenvolksbewegung "Wir sind kirche" sprachen von einem ersten ermutigendem Schritt und einem "Hoffnungszeichen".

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, lobte das Schreiben: Mit dem Thema Liebe berühre Benedikt XVI. ein Kernthema des Christentums. Neun Monate nach seiner Wahl rief Benedikt alle Gläubigen eindringlich zur tätigen Nächstenliebe auf, warnte aber zugleich vor jeder Politisierung. "Die Kirche kann nicht und darf nicht den politischen Kampf an sich reißen, um die möglichst gerechte Gesellschaft zu verwirklichen. Sie kann und darf nicht sich an die Stelle des Staates setzen." Eine gerechte Ordnung zu schaffen, sei "zentraler Auftrag der Politik". Die Kirche könne aber "zur Weckung der sittlichen Kräfte" beitragen.

Die erste Enzyklika eines Papstes wird in Rom stets als ein "programmatisches Signal" für das Pontifikat betrachtet. Enzykliken sind verbindliche Lehrschreiben der katholischen Kirche, die aber nicht als "unfehlbar" gelten.

Das fast 60-seitige Dokument - der Papst hat es auf Deutsch verfasst - verurteilt zugleich ein Liebesverständnis, das auf das Sexuelle reduziert ist. Dies degradiere die Liebe zur Ware, "der Mensch selbst wird dabei zur Ware". Nach christlichem Verständnis müsse die begehrende Liebe (Eros) zur selbstlosen, schenkenden Liebe "gereinigt" werden. Küng, einer der schärfsten "Romkritiker", meinte, "zur Freude vieler Katholiken" sei die Enzyklika "kein Manifest des Kulturpessimismus oder leibfeindlicher kirchlicher Sexualmoral". Das sei ein gutes Signal, das er begrüße. "Joseph Ratzinger würde ein großer Papst, wenn er aus seinen richtigen und wichtigen Worten über die Liebe mutige Konsequenzen für die kirchlichen Strukturen ... folgen ließe."

"Wir sind kirche" sprach von einem "möglichen Hoffnungszeichen für einen Wandel der Amtskirche". Wenn Benedikt in seinem Pontifikat "das menschliche Gesicht des Christentums und der Kirche" hervorheben will, sei dies ein guter Schritt.

Grundsätzlich heißt es in der Enzyklika, das Konzept christlicher Liebe verbinde Gott mit den Menschen sowie die Menschen untereinander. "Die Art wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe." Dem monotheistischen christlichen Gottesbild "entspricht die monogame Ehe". Ratzinger spricht zugleich von einer "unlöslichen Verschränkung von Gottes- und Nächstenliebe". Die Veröffentlichung der Enzyklika, die wegen Übersetzungsproblemen mehrmals verschoben werden musste, war in Rom mit Spannung erwartet worden.

Auch in den modernen, wohlhabenden Gesellschaften müsse es tätige Nächstenliebe geben, betonte das Oberhaupt der katholischen Kirche. "Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte." Auch der "totale Versorgungsstaat" werde letztlich zu einer "bürokratischen Instanz", was der bedürftige Mensch aber brauche sei "liebevolle, persönliche Zuwendung". Benedikt, der im vergangenen April gewählt wurde, unterzeichnete das Schreiben offiziell am Weihnachtstag, dem 25. Dezember.

Lehmann meinte, das Schreiben "ist ein theologisch, spirituell, pastoral und sozial tief angelegter Impuls, mit dem der Papst uns für die Sendung in der heutigen Welt mehr Mut machen will". Der Papst treffe "im Blick auf die Chance des christlichen Glaubens ins Schwarze". Er ermutige, "gerade auch in unseren Bemühungen um Gerechtigkeit und Liebe, nicht zuletzt auch angesichts der heutigen Not des Sozialstaates". Der Präsident des Deutschen Caritas- Verbandes, Peter Neher, sprach von einer hohen Wertschätzung für die Arbeit der Hilfsorganisation.

URL: http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/deutschland_und_welt/?em_cnt=27986

Zuletzt geändert am 09­.05.2006