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Veröffentlicht am 07­.02.2008

7.2.2008 - dpa

Warten auf weißen Rauch in Würzburg - Bischöfe wählen Vorsitzenden

Von Matthias Hoenig, dpa

Hamburg (dpa) - Wenn alles nach Plan läuft, wird die katholische Kirche in Deutschland am Dienstag eine neue Nummer eins haben. Nach fast 21 Jahren musste der bisherige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, wegen lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen den Rücktritt ankündigen - «es war ein nicht zu übersehender "Schuss vor den Bug"», sagte der 71-Jährige im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Wen die Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung im Kloster Himmelspforten in Würzburg hinter verschlossenen Türen zum neuen Repräsentanten von mehr als 25 Millionen deutschen Katholiken wählen werden, scheint völlig offen - obwohl nur zwei Namen im Gespräch sind: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch (69) und sein Münchner Kollege Reinhard Marx (54).

Gäbe es eine Stellenanzeige, so würde folgendes Profil verlangt: Gesucht wird ein Mann Gottes, der die Kirche in den Medien und der breiten Öffentlichkeit glaubwürdig und sympathisch vertritt. Er sollte ein politischer Kopf, auch ein Strippenzieher sein, einer der Gehör findet bei den Parteien in Berlin und kirchliche Positionen etwa in der Familienpolitik oder Bioethik durchzusetzen weiß. Als zuweilen gewiefter Diplomat, der auch mit Rom umgehen kann, sichert er den deutschen Katholiken so manche Spielräume. Für die Ökumene mit den Protestanten und den Dialog mit dem Islam bringt er theologische Kompetenz mit. Dank seiner natürlichen Autorität und seines ehrlichen Charakters wird er von den Amtsbrüdern zudem als Moderator und Integrator geschätzt.

«Lehmann hat hier sehr hohe Maßstäbe gesetzt», sagt Theodor Bolzenius, Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), des Dachverbands der katholischen Verbände. Reformkräfte wie die Laienbewegung «Wir sind Kirche», Politiker aller Couleur, aber auch Protestanten und Juden haben Lehmann ebenfalls in den höchsten Tönen gelobt - für seine Redlichkeit, intellektuelle Brillanz und Vermittlungsfähigkeit. «Wir wünschen uns einen neuen Vorsitzenden, der die erfolgreiche Arbeit von Kardinal Lehmann fortsetzt mit großer Integrationskraft, die unsere Kirche braucht in einer nicht ganz einfachen Zeit», sagt Bolzenius. Gemeint sind damit die Sparzwänge vieler Bistümer und ihre Folgen: Gemeinden werden zusammengelegt, kirchliche Angebote zusammengestrichen, Kirchenmusiker oder Vikare verlieren ihren Job. Einschnitte müssen auch katholische Verbände und Initiativen hinnehmen, Frust und Enttäuschung wachsen so.

Egal, ob Zollitsch oder Marx gewählt wird, einen grundlegenden Richtungswechsel der Bischofskonferenz erwartet niemand. Jeder der beiden hat in seiner Persönlichkeitsstruktur Vor- und Nachteile. «Für Marx spricht, dass er ehrgeizig ist, volksnah, Zugang zur Öffentlichkeit hat, schnell formulieren kann und eine sympathische Ausstrahlung hat», sagt Ulrich Ruh, Chefredakteur der renommierten Fachzeitschrift «Herderkorrespondenz» in Freiburg.

Als Sozialethiker mischt sich Marx oft pointiert in den politischen Diskurs ein und sieht dies auch als seine Aufgabe als Oberhirte, wie er bei seiner Amtseinführung als Münchner Erzbischof Anfang Februar betonte. Seine Nähe zum Papst beglaubigte er mit einem Besuch vor wenigen Tagen in Rom. Gegen Marx spräche, dass der 54-Jährige nach den üblichen Spielregeln etwa 20 Jahre lang Vorsitzender bliebe - «ob das die Bischöfe wollen, ist unklar», sagt Ruh. Die Wiederwahl des Vorsitzenden alle sechs Jahre gilt nämlich als Formsache, Lehmann ist der erste, der nicht im Amt gestorben ist.

Als innerkirchlicher Moderator und Macher kann Zollitsch, der bereits den Verband der Diözesen Deutschlands managt, punkten. «Er ist effizient, arbeitswütig, ein guter Verwalter, allerdings kein theologischer Impulsgeber», sagt Ruh. «Zollitsch könnte den Laden zusammenhalten.» Insgesamt kommt er nach Auffassung Ruhs Lehmanns Stil als integrative Persönlichkeit näher. Negativ zu Buche schlägt, dass der 69-Jährige außerhalb seines Erzbistums öffentlich bisher kaum wahrgenommen wurde - aus bundesweiter Sicht ein Nobody mit wenig Ausstrahlung, lauten Vorbehalte.

Bleibt die Frage, welche Kriterien für die 69 wahlberechtigten Bischöfe und Weihbischöfe in Würzburg am Ende entscheidend sind. «Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist nicht der "Papst in Deutschland", aber er ist auch nicht der verlängerte Arm des Papstes in Deutschland», warnt «Wir sind Kirche»-Sprecher Christian Weisner vor einer einseitigen Rom-Hörigkeit. Er hofft auf einen Vorsitzenden, der die ganze Breite des katholischen Spektrums im Lande vertritt und zum Dialog mit Reformgruppen bereit ist. Weißer Rauch wie nach einer Papstwahl wird nicht aufsteigen, wenn «der Neue» in Himmelspforten gewählt ist, auch wenn viele der für die deutschen Katholiken bedeutenden Entscheidung entgegenfiebern.

Zuletzt geändert am 20­.02.2008