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Veröffentlicht am 19­.02.2008

19.2.2008 - Stuttgarter Nachrichten

Ein Erzbischof, der gern Vater geworden wäre

Oberhirte Zollitsch stellt Zölibat infrage – eine Mehrheit ist nicht Sicht

Freiburg – Kaum im Amt, da wird Robert Zollitsch schon seinem Ruf als liberaler Oberhirte gerecht. Mit seinen Äußerungen zum Zölibat hat sich der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ein Thema vorgenommen, um das andere Oberhirten lieber einen weiten Bogen machen.

Die Verbindung von Ehelosigkeit und Priestertum sei „nicht theologisch notwendig“, sagte der Freiburger Erzbischof in einem Interview. Zollitsch sprach sich gegen „Denkverbote“ beim Thema Pflichtzölibat aus. Und legte sogar nach: Er hätte für sich auch Ehe und Familie vorstellen können: „Ich wäre gern Vater geworden. Es ist schon ein Verzicht keine eigenen Kinder zu haben.“

Doch überraschend kommen die Worte nicht. Der 69-Jährige hat weder als Freiburger Personalchef noch als Erzbischof ein Geheimnis aus seinen Ansichten zum Zölibat gemacht. Seiner Linie bleibt er auch als oberster Repräsentant des deutschen Katholizismus treu. Der Theologe, der gestern offiziell sein Amt vom Mainzer Kardinal Karl Lehmann übernahm, hat ein extrem heißes Eisen angepackt.

Schätzungen zufolge sind in den vergangenen vier Jahrzehnten weltweit mehr als 100.000 Priester aus ihrem Amt ausgeschieden, weil sie das Keuschheitsgelübde gebrochen haben. In Deutschland wird nur noch jede zweite bis dritte Pfarrei von einem eigenen Seelsorger betreut.

In der römischen Bischofssynode von 2005 wurde das Zölibat zwar thematisiert, aber eine Mehrheit unter den Bischöfen fand sich zur Reform nicht. Auch Papst Benedikt XVI. lässt keinen Zweifel daran, das die Kirche unter ihm nicht am Zölibat rütteln wird. Das Zölibat sei „ein wertvolles Geschenk und ein Zeichen der ungeteilten Liebe zu Gott und den Mitmenschen“. Im Apostolischen Schreiben vom 13. März 2007 bestätigte er das Zölibat der Priester – ohne Wenn und Aber.

Zollitsch stehe unter den 70 Bischöfen in Deutschland nicht allein, sagt Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung. „Es wäre fantastisch, wenn andere Bischöfe, die genau so wie er denken, den Mut haben, zu sprechen.“ Zollitsch habe eines der drängendsten Probleme der Kirche gleich zu Beginn seiner Amtszeit angesprochen. Weisner: „ Jetzt brauchen wir die Solidarität der anderen Bischöfe.“

Zollitsch kennt die Nöte der Priester so gut wie kaum ein anderer Bischof. Von 1974 bis 1983 war er Direktor des Erzbischöflichen Theologenkonvikts, von 1983 bis 2003 Personalreferent der Erzdiözese Freiburg. „Da spricht einer aus eigener Erfahrung und Verantwortung für die Gemeinden“, betont Weisner, Sprecher der Reforminitiative, „die Not der Priester, die etwa eine geheime Beziehung haben, ist unendlich groß.“


Voraussetzung für einen Abschied vom Zölibat ist nach Ansicht des Erzbischofs die Einberufung eines Konzils. „Denn das würde sehr in das innere Leben der Katholischen Kirche eingreifen“, sagt Zollitsch und betont: „Es wäre eine Revolution, bei der ein Teil der Kirche nicht mitginge.“ Er weist aber zugleich darauf hin, dass sich das Zölibat bewährt habe. Priester müssten voll und ganz für ihre Aufgabe verfügbar sein: „Unter dieser Hinsicht ist die Ehelosigkeit ein großer geistlicher Wert.“

Der neue Repräsentant der deutschen Bischöfe kommt trotz seiner zurückhaltenden Art selbstbewusst daher. Robert Zollitsch lässt sich von niemandem den Mund verbieten und sagt offen seine Meinung. Der Freiburger Oberhirte weiß ganz genau, dass er die konservative Fraktion in der Bischofskonferenz um Kardinal Joachim Meisner (Köln), Bischof Walter Mixa (Augsburg) und Bischof Gerhard Ludwig Müller (Regensburg) mit solchen Äußerungen zur Weißglut bringt. „Zollitsch verdient einen Courage-Preis“, urteilt Weisner.

Solange der Vatikan aber in der Zölibatsfrage mauert und kein Anzeichen für eine Liberalisierung erkennen lässt, werden auch liberale Bischöfe wie Franz-Josef Bode (Osnabrück), Joachim Reinelt (Dresden-Meißen) oder Joachim Wanke (Erfurt) eher schweigen als sich den Mund verbrennen. Bischof Müller hat jedenfalls gestern klargestellt, wie es in der Zölibatsfrage weitergehen wird: „Von einer Aufhebung des Zölibats braucht niemand – weder jetzt, noch in Zukunft – auszugehen.“

Markus Brauer

Zuletzt geändert am 18­.02.2008