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Veröffentlicht am 15­.01.2008

15.1.2008 - www.netzeitung.de

Lehmann-Rücktritt besorgt kritische Katholiken

Anerkennung und Bedauern – das sind die Reaktionen auf den vorzeitigen Amtsverzicht des Chefs der Bischofskonferenz. Katholische Reformer warnen nun vor Rückschritten.

Nach dem angekündigten Rücktritt des obersten deutschen Katholikenfunktionärs sorgen sich engagierte Christen um die Zeit danach. Wenn die Deutsche Bischofskonferenz im Februar einen Nachfolger wählt, solle dies einer sein, der bereit ist, «die ganze Breite des deutschen katholischen Spektrums zu vertreten», verlangte die kritische Bewegung «Wir sind Kirche».

Der Forderung voran stellte sie die Vermutung, dass sich der 71-Jährige nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus kirchenpolitischen Gründen zurückziehen musste. Wenn der Kardinal selbst vom «notwendigen Generationswechsel» und von der «Zeit für eine Wachablösung» spricht, so bedeutet dies nach Ansicht der katholischen Reformbewegung, dass künftig zunehmend Männer an die Schaltstellen der kirchlichen Macht gelangen, die nicht mehr von wichtigen katholischen Reformereignissen wie dem Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt sind.

Wahl des Nachfolgers will Lehmnann selbst leiten

Seit 1987 stand der in Sigmaringen (Schwäbische Alb) geborene Theologe Lehmann der Bischofskonferenz vor. Die Wahl seines Nachfolgers auf der Frühjahrssynode der Katholischen Kirche im Februar will er selbst leiten.

Lehmann war am 11. Dezember wegen Herz-Rhythmus-Störungen ins Krankenhaus gekommen. Drei Tage sp#ter trat er eine Kur an. «Ich hatte eine lebensbedrohliche Krankheit», schrieb er nun in seiner Rücktrittsankündigung. Mit den im Dezember erlittenen Herz-Rhythmus-Störungen sei eine eindeutige Zäsur erreicht, die ihm in Zukunft das Ausschöpfen seiner Kräfte im bisherigen Maß nicht mehr erlaube. «Es ist Zeit für eine Wachablösung.» so Lehmann. Mainzer Bischof will Lehmann aber vorerst bleiben.

Evangelisches Pendant: «Geschenk für das Land»

Lehmann wird als Mann des Ausgleichs geschätzt. Seine theologische Kompetenz, sein pastorales Gespür, seine innerkirchliche Integrationskraft, sein kirchenpolitisches Geschick und sein gesellschaftspolitisches Engagement sind allgemein unbestritten. Trotzdem hatte Papst Johannes Paul II. ihn erst am 28. Januar 2001 zum Kardinal ernannt. Wohl, weil er als gemäßigter Bischof gilt, der immer auch als Mittler auftrat und Wogen glättete. Das unterscheidet ihn von konservativeren Amtsbrüdern wie dem Kölner Kardinal Joachim Meisner. Für seine humorvolle Art des zwischenmenschlichen Umgangs ehrte ihn 2005 der Aachener Karnevalsverein mit dem «Orden wider den tierischen Ernst»

Lehmann steht auch für das Miteinander der Kirchen und den Dialog zwischen den Religionen. Der Zentralrat der Juden würdigte ihn als «verlässlichen und vertrauenswürdigen Ansprechpartner». Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, bezeichnete das Wirken Lehmanns als großes Geschenk für das ganze Land. Auch die Laienorganisationen Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) lobten Lehmanns Engagement.

Merkel bedauert Rücktritt, Beck zollt höchste Anerkennung

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Dienstag mit Lehmann und äußerte dabei ihr Bedauern über seinen Schritt. Er werde aber für sie und für die Politik ein geschätzter Gesprächspartner bleiben, betonte die CDU-Vorsitzende. Der SPD-Chef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck zollte ihm «höchste Anerkennung, weil es ihm als brillantem Theologen oft gelungen ist, mit Menschlichkeit und Humor ununterschiedliche Auffassungen zu versöhnen». (nz)

Zuletzt geändert am 15­.01.2008