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Veröffentlicht am 27­.09.2007

27.9.2007 - dradio.de

"Man muss hinsehen wollen"

Christliche Frauengruppe kritisiert Umgang katholischer Bischöfe mit Missbrauchsfällen

Moderation: Bettina Klein

Die christliche Frauengruppe "Maria von Magdala" wirft der Deutschen Bischofskonferenz vor, Pädophilie unter Priestern herzunterzuspielen. Pädophile könnten sich von dem Beruf des Priesters angezogen fühlen, argumentierte die Vorsitzende der Initiative, Susanne Mandelkow. Weil sie mit der Erwachsenensexualität nicht klar kämen, könnten sie das Zölibat leichter ertragen.

Bettina Klein: Die Deutsche Bischofskonferenz tagt in dieser Woche in Fulda. Ein Thema zumindest hinter verschlossenen Türen ist der Fall eines pädophilen Geistlichen, der vorbestraft war und dennoch in einer anderen Gemeinde wieder eingesetzt wurde und dort offenbar ebenfalls einen Jungen missbraucht hat. Der Geistliche sitzt jedenfalls in Untersuchungshaft. Unter Rechtfertigungsdruck inzwischen längst auch der zuständige Bischof, der nach Ansicht seiner Kritiker zu lange an dem Mann festgehalten und ihn unterstützt habe, letztlich auch die Rückkehr in eine Gemeinde befürwortete aufgrund eines psychologischen Gutachtens.

Zwei Gruppen von Katholiken haben die Bischofskonferenz diese Woche mit einer Mahnwache begleitet, die eine "Wir sind Kirche", die andere Initiative heißt "Maria von Magdala", eine Gruppierung, in der sich Frauen für Gleichberechtigung in der katholischen Kirche engagieren. Deren Vorsitzende ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Susanne Mandelkow.

Mandelkow: Guten Morgen, Frau Klein!

Klein: Was wollten Sie mit der Mahnwache bei der Bischofskonferenz erreichen?

Mandelkow: Zum einen möchten wir natürlich für eine große und immer noch schweigende Mehrheit katholischer Laien ein Zeichen setzen, die uns auch durch Solidaritätsnoten gezeigt haben, dass diese Mahnwache begleitet wird und gewünscht wird und als richtig betrachtet wird. Zum anderen möchten wir neben diesem aktuellen Problem der sexuellen Gewalt natürlich auch auf Themen hinweisen, die schon lange auf der Agenda der katholischen Kirche stehen sollten, es aber leider nicht tun.

Klein: Sie wollten ein Zeichen setzen, sagten Sie, und damit wie Sie sagen einer schweigenden Mehrheit in der katholischen Kirche das Wort verleihen? Ist das so?

Mandelkow: Ja, das ist so. Das ist auch meine Erfahrung von vielen Großveranstaltungen wie Katholikentagen oder Kirchentagen, dass es an der Basis große Zustimmung zu unseren Anliegen gibt, die sind ja nicht umsonst auch aus der Kirchenvolksbewegung hervorgegangen, und dass das eben keine Möglichkeit findet, sich nach oben durchzusetzen, liegt an der hierarchischen Struktur der katholischen Kirche, in der der Klerus halt das Sagen hat.

Klein: Wenn wir bei diesem aktuellen Fall in Regensburg bleiben, was ist Ihre Kritik? Wie hätte sich etwa der Bischof verhalten müssen?

Mandelkow: Ich denke, dass der Bischof sich erst mal auch an den Leitlinien seiner eigenen Bischofskonferenz hätte orientieren können und sollen, auch wenn die nicht verbindlich sind.

Klein: Nämlich?

Mandelkow: Dass zum Beispiel in diesen Leitlinien steht, dass ein Priester, der in diesem Sinne auffällig oder straffällig geworden ist, eben nicht mehr in der Gemeinde eingesetzt werden darf. Das ist auch unter Psychologen unumstritten. Ich habe mich ein bisschen kundig gemacht und habe einen Artikel gefunden, in dem ein Psychologe sagt, ein Pädophiler wird nicht geheilt, der kann nur therapiert werden. Das heißt, man darf ihn solchen Situationen nicht wieder aussetzen, in denen er rückfällig werden könnte.

Klein: Bischof Müller hat gesagt, der Täter ist verantwortlich für eine Tat und nicht der Vorgesetzte, wenn man so will, der ihm ein Amt gegeben hat, das er dann missbrauchte. Was ist daran falsch?

Mandelkow: Ich denke mal, dass der Bischof da seine eigene Verantwortlichkeit komplett ausblendet. Er hat das ja entschieden, ihn wieder da einzusetzen und ihn in eine Situation zu bringen, in der es ihm sehr schwer fallen würde, seiner Neigung nicht wieder nachzugeben. Das ist schon seine Verantwortung. Da muss er schon mit klar kommen. Ich finde es ein schwaches Bild, dass ein Bischof nicht in der Lage ist, das zuzugeben.

Klein: Was halten Sie für die Ursachen oder für die Gründe dafür, dass die Bischöfe in dieser Weise jetzt mit dem Thema umgehen?

Mandelkow: Ich denke, dass die katholische Kirche das sehr gut kann, nach außen hin ein Bild der Geschlossenheit zu vermitteln, das ist sicherlich eine in langer Erfahrung geübte Praxis, und dass da nur hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, um jetzt einen Kollegen nicht in der Öffentlichkeit zu kritisieren und eventuell bloßzustellen, das ist da das vorrangige Ziel. Ich halte diese Vorgehensweise aber auch für kurzsichtig, weil ich befürchte, dass es keine wirklich durchgreifenden Lösungen geben könnte, weil eben alles hinter verschlossenen Türen, unter der Decke oder wie Christian Weisner (von der Organisation "Wir sind Kirche"; Anm. d. Red.), sagte unter den Teppich gekehrt wird.

Klein: Was hätte es denn geändert, wenn etwa der Bischof jetzt offen eingestanden hätte, es war ein Fehler, diesen Geistlichen zurückzuholen?

Mandelkow: Ich denke, dass es einmal ein Zeichen des Respekts gegenüber der Gemeinde gewesen wäre und gegenüber dem Betroffenen, dem Opfer, dem Kind an allererster Stelle und natürlich auch dessen Eltern und Familie. Sich da so herauszumanövrieren, ist einfach für mich ein Zeichen von auch Selbstüberschätzung. Er hat die Lage einfach nicht richtig eingeschätzt. Er hatte nicht die richtigen Berater und kann jetzt nicht dazu stehen. Das ist ein schwaches Bild für einen katholischen Bischof. Die sollten eigentlich wissen, was Reue und Umkehr heißt.

Klein: Frau Mandelkow, von außen, aber auch von Kirchenkritikern wie Eugen Drewermann wird immer wieder explizit der Umgang der katholischen Kirche mit vielen Themen die Sexualität betreffend infrage gestellt. Inwiefern ist das für Sie als Katholikin berechtigt und hat auch mit diesem Fall im Bistum Regensburg jetzt zu tun?

Mandelkow: Ich denke, dass es im Bistum Regensburg vor allen Dingen darauf angekommen ist, dass man nicht wirklich hingeschaut hat, dass man das Problem von Seiten des Bischofs nicht wirklich wahrnehmen wollte. Denn wenn er sich wirklich hätte informieren wollen, dann hätte er wissen müssen, dass er so einen Menschen gar nicht wieder einsetzen kann, dass Pädophilie nur therapierbar, nicht heilbar ist, und dass er im Grunde genommen nicht wirklich wahr haben wollte, wo das Problem liegt. Dieses Problem Kindesmissbrauch oder Homosexualität unter Priestern, das wird einfach weggedrückt, obwohl man wissen müsste, dass gerade Pädophile sich von dem Beruf des Priesters angezogen fühlen könnten. Weil sie ja mit der Erwachsenensexualität gar nicht klar kommen, können sie den Zölibat leichter ertragen, sage ich mal. Das muss im Grunde genommen erkannt werden. Man muss hinsehen wollen. Und ob man jetzt bei der Homosexualität nicht sehen will, dass da einfach ein gewisses Maß an homosexuellen Priestern da ist, ob man nicht wahr haben will, dass Verhütung in Afrika Leben rettet mit Kondomen, all diese Dinge werden nur von der moralischen Seite, der moraltheologischen Seite gesehen, aber nicht von dem, was es im Leben der Menschen für Konsequenzen hat.

Klein: Sie sind eine relativ kleine Gruppierung. Wie repräsentativ sind sie für die Gläubigen in der katholischen Kirche mit diesen Einstellungen, die Sie gerade skizziert haben?

Mandelkow: Ich denke es gibt Umfragen, wo wir zu vielen Positionen, die wir als Gruppe vertreten und die mit der Stellung der Frau in der Kirche zu tun haben, die ja dieses Thema Sexualität auch in einem gewissen Sinne berührt, für eine große Mehrheit Position ergreifen, nur dass diese Mehrheit in den Gremien der Kirche keine Stimme hat. In den Gremien sitzen wie in der Deutschen Bischofskonferenz eben Bischöfe, Geistliche, Kleriker, und Laien sind maximal in beratender Funktion zugelassen.

Klein: Wie stark werden sie wahrgenommen?

Mandelkow: Von den Bischöfen sicherlich genauso hinter verschlossenen Türen etwas stärker als in der Öffentlichkeit, weil ja die Frauenfrage nicht mehr diskutiert werden darf seit dem entsprechenden Erlass des Papstes, der verboten hat, in dieser Frage noch weiter zu diskutieren. In der Öffentlichkeit spielen wir dadurch für die Bischöfe, für die Ansprechpartner, die wir dort eigentlich hätten, keine große Rolle mehr. Viele Laien haben sich, denke ich, auch schon in die innere Emigration in diesen Punkten zurückgezogen. Sie engagieren sich nicht mehr für diese Dinge innerhalb der Kirche, weil sie sehen, dass sie damit nicht vorankommen, und das ist auf Dauer natürlich eine sehr frustrierende Erfahrung.

Klein: Susanne Mandelkow war das, die Vorsitzende der katholischen Initiative "Maria von Magdala". Danke Ihnen für das Gespräch, Frau Mandelkow.

Mandelkow: Auf Wiederhören, Frau Klein.

Zuletzt geändert am 27­.09.2007