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Veröffentlicht am 24­.10.2023

November 2023 - Kirche In

Nach der Synode 2023 ist vor der Synode 2024

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Wie schon bei der Europäischen Synodalversammlung im Februar 2023 in Prag hat Wir sind Kirche diesmal gemeinsam mit vielen anderen internationalen Reformgruppen die Weltsynode im Oktober 2023 in Rom aktiv begleitet. Eine Zwischenbilanz von Christian Weisner, der schon einige Synoden miterlebt hat. Er war jetzt zehn Tage in Rom und nimmt auch schon die Synode 2024 in den Blick.

Diese Synode ist anders. Das erste Mal in der Kirchengeschichte ist die gesamte Kirche zur Mitwirkung aufgerufen. Es begann mit dem höchst ambitionierten mehrstufigen Vorbereitungsprozess in den Diözesen, auf Länderebene und schließlich sieben Kontinentaltreffen. Beim Europäischen Vorbereitungstreffen in Prag zeigten sich die Differenzen und Kontroversen, die das so harmlos klingende Gesamtthema „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ zu Tage gefördert hat. Folgerichtig bestand das Arbeitsdokument für Rom, das Instrumentum laboris, nicht aus fertigen Texten, sondern aus einem umfangreichen Fragenkatalog.

Doch was bedeutet Synodalität wirklich? Darum ging es in den ersten Tagen. Synodalität ist keine Erfindung von Franziskus, sondern es war Paul VI., der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil das Instrument der Bischofssynode für die ganze Kirche eingeführt hat. Franziskus hat es nun wiederbelebt und erweitert. Eine Schlüsselfrage lässt sich direkt aus dem Instrumentum laboris ableiten: Welche Rolle und welche Formen werden in der katholischen Kirche künftig die Bischöfe, welche die Vertretungen des Kirchenvolkes spielen? Nur beraten oder auch mitentscheiden?

Zunächst war nur die Ordensfrau Sr. Nathalie Becquart aus dem Synodensekretariat stimmberechtigt, jetzt sind es über 50 Frauen, etwa ein Siebtel der Synode. Natürlich ist das noch lange nicht repräsentativ. Auch die Jugend ist noch viel zu wenig vertreten. Aber mit der stimmberechtigten Beteiligung von Nicht-Bischöfen (was Wir sind Kirche von Anfang an gefordert hatte) hat Franziskus einen Systemwechsel vollzogen. Für Deutschland ist es allerdings ein Affront, dass nur Bischöfe, es sind fünf, stimmberechtigt an der Synode teilnehmen können und sonst niemand vom Synodalen Weg.

Alle Probleme auf dem Tisch

Die Enthüllungen geistlicher und sexualisierter Gewalt haben die Glaubwürdigkeit der Kirche bereits in vielen Ländern zutiefst erschüttert, kein Land wird davon verschont bleiben. Auch wenn dies – anders als in Deutschland – nicht direkt auf der Agenda der Weltsynode steht: Die Synode muss plausible Antworten finden, um die systemischen Ursachen von Missbrauch und deren Vertuschung zu bekämpfen. Dabei erweisen sich die Reformforderungen, die 1995 von Wir sind Kirche in Österreich als Antwort auf den Missbrauchsskandal des Wiener Kardinals Groër formuliert wurden, als mittlerweile weltweiter Reformkanon. Das haben schon die kontinentalen Berichte gezeigt. Und immer offensichtlicher werden die fundamentalen Widersprüche zwischen der befreienden Botschaft des Jesus von Nazaret und den über Jahrhunderten immer starrer gewordenen Strukturen einer absolutistischen monarchischen Kirche, einer Zwei-Klassen-Kirche des Klerus gegenüber sogenannten Laien und vor allem gegenüber Frauen.

In den Kleingruppen lagen alle drängenden Fragen auf den runden Tischen in der Synoden-Aula. In dieser nicht-hierarchischen Kommunikationsform haben Kardinäle, Bischöfe, Ordensleute und „normale“ Katholik:innen wohl auf Augenhöhe miteinander gesprochen. Ein hilfreicher Lernprozess, für manche eine ungewohnte Herausforderung. Letzteren hilft vielleicht die beschwichtigende Aussage von Franziskus, die Lehre werde sich nicht ändern. Aber nur ein gruppendynamischer Prozess, wo miteinander geredet und gebetet wird? Das kann und darf nicht alles gewesen sein!

Auch konkrete Reformen und theologische Argumente müssen auf den Tisch. Zum Ende der diesjährigen Synodenversammlung wurde dann auch die Methode geändert, so dass mehr Theologisches zur Sprache kam. Dabei stießen dann aber zwei konkurrierende Kirchenbilder mit unterschiedlichen Beziehungen zwischen Weihe-Priestertum und allgemeinem Priestertum aufeinander. Ein grundsätzlicher Widerspruch, so ist zu hören, zeichnet sich auch ab zwischen dem Wunsch nach Dezentralisierung und dem Leitbild von „Einheit in Vielfalt“, weil es immer einen Kontinent geben wird, der sich hier widersetzen wird, z.B. in der Ämterfrage für Frauen. Abzuwarten bleibt, ob zumindest die abschließende Synthese Ende Oktober die Schlüsselthemen aufzeigen wird, die im nächsten Jahr vertieft werden müssen. Schon der Konzilspapst Johannes XXIII. bezeichnete die Frauenfrage als eines der großen „Zeichen der Zeit“. Hieran sollte die Weltsynode anknüpfen.

Bemerkenswertes passiert am Rande

Die Erfahrung der Pan-Amazonien-Synode hat gezeigt, dass neben der Arbeit in der Synodenhalle auch die Aktivitäten, die außerhalb stattfinden, die Synode prägen. Deshalb gab es auch jetzt vor und während der Synode Veranstaltungen, Treffen und Mahnwachen von Reformgruppen und Netzwerken aus aller Welt. Die von Wir sind Kirche veröffentlichte Zusammengestellung umfasste ein breites Mosaik von Betroffenen-Initiativen, Frauenordinationsbewegungen und LGBTQIA+-Gruppen. Von Deutschland aus wurde außerdem ein erstes Welttreffen professioneller Laienmitarbeitenden organisiert. Das deutsche Hilfswerk MISSIO war in Rom präsent, ebenso wie die Jugendverbände aus den deutschsprachigen Ländern. Das befreiungstheologische Netzwerk Amerindia unterstützte lateinamerikanische Synodale in Rom.

„Equality – Gleichheit für alle“ war das Motto der Wir sind Kirche-Mahnwache am Abend des 12. Oktober auf dem Petersplatz. Eine inhaltlich wie technisch höchst ambitionierte Veranstaltung war die einwöchige Hybrid-Konferenz „Human Rights in the Emerging Catholic Church“, die Spirit Unbounded aus Bristol organisierte und die Wir sind Kirche International unterstützte. Faszinierende Hauptrednerinnen am 13. und 14. Oktober in Rom waren Joan Chittister OSB aus den USA und die ehemalige irische Präsidentin Mary McAleese. Die insgesamt mehr als 110 interessanten Beiträge sind gegen eine geringe Gebühr (ab 24 britische Pfund = 28 Euro) weiterhin im Internet abrufbar: https://spiritunbounded.org/event

Papst Franziskus hatte parallel zur Synode seine eigene Agenda. Am 30. September führte er neue Kardinäle ins Amt ein. Mit der Verkündung von „Laudate Deum“ am Eröffnungstag, dem Gedenktag des Franz von Assissi, rief er die konkreten Aufgaben von Kirche in der Welt ins Bewusstsein. Außerdem traf er sich beispielsweise mit Schwester Jeannine Gramick, Mitbegründerin einer katholischen Initiative für trans- und homosexuelle Menschen.

Transformationsprozess auf allen Ebenen

Vor welchem schwierigen Transformationsprozess die katholische Weltkirche jetzt steht, zeigt sich allein darin, dass neben dem neuen Chef der vatikanischen Glaubensbehörde, dem argentinischen Kardinal Víctor Manuel Fernández, auch der von Papst Benedikt eingesetzte frühere Glaubenspräfekt Kardinal Gerhard Ludwig Müller der Synode angehört. Müller hielt sich nicht an das Interview-Verbot und wird Ende Oktober an einer Strategiekonferenz der ultrakonservativen Internetseite „Life Site News“ in Rom teilnehmen.

Ich bin sehr gespannt, was der Brief an das Volk Gottes enthalten wird, den die Synodalen am Ende der Synode 2023 verabschieden wollen. Zu befürchten ist, dass es jetzt noch keine konkreten gemeinsamen Beschlüsse geben wird. Dafür waren die Themen zu zahlreich und vor allem die Positionierungen zu unterschiedlich. Aber es ist zu hoffen, dass sich trotz der noch sehr starken Männer- und Klerikerlastigkeit in den knapp vier Wochen eine zukunftsgerichtete Dynamik entwickeln konnte.

Für alle Reformkräfte sind die Aufgaben in den kommenden elf Monaten bis zur Synode im Oktober 2024 klar: Den Reformgeist weiter konkret voranbringen, der in Rom innerhalb und außerhalb des Synodensaals sichtbar wurde. Die Chance liegt in einem Transformationsprozess auf allen Ebenen, der nicht mehr zu stoppen sein wird. In einer Welt der globalen Krisen, der Auflösung bestehender Strukturen und der Zunahme autoritärer Regime könnte – optimistisch gedacht – die römisch-katholische Weltkirche Vorbilder für neue wertebasierte und dezentrale Strukturen entwickeln, wie die vielfältigen Herausforderungen gemeinschaftlich angegangen werden können. Letztlich wird sich zeigen, wie relevant unsere Glaubensgemeinschaft in Zukunft sein kann.

Mehr: www.wir-sind-kirche.de/weltsynode2023rom und https://www.we-are-church.org 

Zuletzt geändert am 30­.10.2023