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Veröffentlicht am 01­.02.2023

Februar 2023 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Das Prager Experiment

Vom 5. bis 12. Februar 2023 findet in Prag die kontinentale Synodalversammlung für Europa im Rahmen des weltweiten synodalen Prozesses statt, den Papst Franziskus im Oktober 2021 eröffnet hat. Nach der abgeschlossenen diözesanen Phase soll die kontinentale Phase im synodalen Prozess der Weltsynode, so der Vatikan, eine Art Schnittstelle zwischen der Universalkirche und den Ortskirchen darstellen und sie miteinander noch stärker in Dialog bringen. Ein höchst anspruchsvoller Beteiligungsprozess, für den es keine Vorbilder gibt.

Arbeitsgrundlage ist jetzt das Dokument „Mach den Raum deines Zeltes weit“. Diese Zusammenstellung der Rückmeldungen aus aller Welt lässt die erlebten Erfahrungen der Synodalität deutlich werden und macht seinem Titel alle Ehre. Anders als der Synodale Weg in Deutschland ging der weltweite synodale Prozess nicht vom Missbrauch sexualisierter und geistlicher Gewalt aus. Aber bemerkenswert ist, dass in den verschiedensten Weltregionen genau die gleichen Reformfelder angesprochen werden, die in Deutschland auf der Agenda stehen. Die Bezeichnung „deutscher Sonderweg“ hat sich damit endgültig als unzutreffend erwiesen. Vielmehr kann der Prozess in Deutschland, der international viel Beachtung und Bewunderung erfährt, als Katalysator für den weltweiten Synodalen  Prozess gesehen werden.

Die Versammlung in Prag, auch das ist bemerkenswert, findet hybrid statt: 200 Personen vor Ort (156 Delegierte von jeder der 39 Bischofskonferenzen in Europa sowie 44 zusätzliche, von der CCEE eingeladene Teilnehmende) sowie 390 online zugeschaltete Teilnehmende (je zehn von den Bischofskonferenzen benannten Personen). Und es ist wohl geplant, dass alles im Live-Stream verfolgt werden kann. Am Ende tagen die 39 Vorsitzenden aller europäischen Bischofskonferenzen zwar noch einmal unter sich. Aber die Bischöfe haben wohl versprochen, in den von der Gesamtversammlung beschlossenen Text nicht mehr einzugreifen.

Der australische Kardinal George Pell dagegen, der die „Reinheit der apostolischen Tradition“ in Gefahr sieht, hat noch kurz vor seinem Tod die Weltsynode als „toxischen Albtraum“ bezeichnet. Aber entspricht der aktuelle synodale Prozess nicht viel eher der christlichen Botschaft und der Synodalität, wie sie Papst Paul VI. intendierte und jetzt Franziskus praktiziert?

Die Versammlung in Prag ist die erste der insgesamt sieben kontinentalen Versammlungen und wird wohl die schwierigste sein. Denn hier treffen die Kirchen Westeuropas, die vom Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägt sind, auf die Kirchen Osteuropas, die sich angesichts jahrzehntelanger politischer Unterdrückung eher abgeschottet haben. Doch die inneren und äußeren Säkularisierungsprozesse, vor allem aber auch die Erfahrung von Missbrauch und Vertuschung in dem einst so katholischen Polen, machen überall Reformen erforderlich. Wir sind Kirche International wird deshalb gemeinsam mit anderen europäischen Reformgruppen die Reformkräfte in Prag sehr unterstützen. Aber Laien und Kleriker müssen bei diesen Synoden gleiche Stimmrechte haben! Sonst ist der ganze Synodale Prozess umsonst gewesen!

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland

Mehr Informationen: www.wir-sind-kirche.de/prag2023

Zuletzt geändert am 24­.01.2023