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Veröffentlicht am 27­.01.2021

27.1.2021 - BR.de (auch Audio)

25 Jahre Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche"


Ankündigung des deutschen KirchenVolksBegehrens in Köln mit Dieter Grohmann +, Dr. Ferdinand Kerstiens, Prof. Hans Küng, Christian Weisner, N.N. und Eva-Maria Kiklas sowie Schüler*innen der Gruppe "Produktive Christen" aus Lünen

Ein Kirchen-Volksbegehren gab vor 25 Jahren den Anstoß. Seither macht sich die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" für Reformen in der katholischen Kirche stark. Was hat die Bewegung in dieser Zeit erreicht? Und wo steht sie heute?

Als sich vor 25 Jahren "Wir sind Kirche" gründete, war es das Bekanntwerden eines Missbrauchsfalls, das den Protest gegen die eigene Kirche befeuerte: Dem Wiener Kardinal Hans Hermann Groer, wurde vorgeworfen, Seminaristen in seinem Orden sexuell missbraucht zu haben.

"Das waren damals eigentlich unvorstellbare Vorgänge. Und so hat es einen großen Aufschrei in der katholischen Kirche in Österreich gegeben. Und da haben Religionslehrer, Religionslehrerinnen einfach gesagt: Was können wir machen", erinnert sich Christian Weisner von "Wir sind Kirche" an die Anfänge. Weisner ist heute noch Sprecher der Kirchenvolksbewegung und gehörte vor 25 Jahren zu ihren Gründern.

Über 1,8 Millionen Unterschriften für Reformen in der Kirche

Zunächst initiierten kritische Engagierte ein Kirchenvolksbegeheren. Christian Weisner aus Dachau und viele Mitstreiter in Deutschland, Österreich und Südtirol sammelten daraufhin mehr als 1,8 Millionen Unterschriften für eine Reform der katholischen Kirche: Aber die Forderungen gingen über eine Aufklärung des konkreten Missbrauchsfalls hinaus.

"Es muss mehr Mitbestimmung der Laien und Laien geben. Die Frauen müssen die gleichen Rechte und auch die gleichen Ämter in der Kirche haben können. Der Pflichtzölibat, diese Ehelosigkeit der Priester, kann nicht verpflichtend sein. Wenn, dann nur freiwillig. Und es braucht eine positive Sexualmoral, also nicht nur Verbote, sondern die Kirche muss auch die Lebenswirklichkeit der Menschen akzeptieren", so bringt Weisner die zentralen Anliegen des Kirchenvolksbegehrens auf den Punkt.

Kirchenvolksbewegung fordert "Frohbotschaft statt Drohbotschaft"

Nach dem Kirchenvolksbegehren gründete sich die Gruppe "Wir sind Kirche". In Düsseldorf gab sie sich ihr Statut: Ziel war und ist der Aufbau einer geschwisterlichen Kirche – und wie es damals hieß "Frohbotschaft statt Drohbotschaft". "In dieser Situation, wo es sehr gebrodelt hat innerkirchlich, da waren diese Anliegen mir und vielen anderen wichtig", beschreibt Weisner seine Motivation. "Und das zeigt ja auch der große Erfolg des Kirchenvolksbegehrens."

Aber die große Unterstützung, die die Reform-Bewegung am Anfang genoss – von Theologinnen und Theologen, Gemeinden, Ehren- und Hauptamtlichen - nahm in den folgenden Jahren immer mehr ab, erzählt Sigrid Grabmeier. Die Deggendorferin ist ebenfalls seit 1995, seit der ersten Stunde, bei "Wir sind Kirche" mit dabei. "In den folgenden Jahren wurde es immer etwas leiser, denn es gab durchaus Bischöfe die damit drohten, Restriktionen auszuüben", so Grabmeier, "auf Hauptamtliche oder auf Professorinnen und Professoren, die die Reformen, wie sie "Wir sind Kirche" forderte, unterstützen wollten.

Reaktion der Bischöfe: Rüge, Häresievorwurf, Exkommunikation

Die Reaktionen von Bischöfen fielen hart aus: Kardinal Joseph Ratzinger, damals Vorsitzender der Glaubenskongregation in Rom, sagte 1997, die Forderungen stünden im offenen Gegensatz zur kirchlichen Ordnung. 2014 wurden die Vorsitzende von "Wir sind Kirche" in Österreich, Martha Heizer, und ihr Ehemann sogar exkommuniziert: Die beiden hätten privat Eucharistie-Feiern ohne Priester abgehalten.

25 Jahre nach der Gründung von "Wir sind Kirche" ringen die Katholiken in Deutschland immer noch um dieselben Themen. Missbrauch, Gleichberechtigung von Frauen und der Pflichtzölibat - all das steht heute auf der Agenda des sogenannten Synodalen Wegs, des aktuellen Gesprächsprozesses, zu dem sich Laien, Priester und Bischöfe regelmäßig treffen.

Forderungen des Kirchenvolksbegehrens Teil des Synodalen Weges

Auch wenn sich bei den strittigen Themen nicht viel bewegt hat, Christian Weisner bleibt trotzdem optimistisch: "Mittlerweile stehen genau die Themen, für die wir damals noch verbotenerweise Unterschriften sammeln mussten, sogar auf der Agenda der Deutschen Bischofskonferenz beim sogenannten synodalen Weg. Es hat eben sehr, sehr lange gedauert. Aber endlich ist es so weit, dass die Kirchenleitung eingesehen hat: Missbrauch, Ausgrenzung von Frauen, das alles darf es nicht geben."

Und seit der Amtszeit von Papst Franziskus habe sich auch die Stimmung verbessert, so Christian Weisners Eindruck. Es trauten sich wieder mehr Menschen mit ihren Forderungen in die Öffentlichkeit zu gehen: wie zum Beispiel die Engagierten der Initiative Maria 2.0, die ebenfalls für Reformen in der Kirche kämpft. Ein Engagement, das "Wir sind Kirche" unterstütze, so Sigrid Grabmeier: "Das freut uns ungemein. Maria 2.0 ist eigentlich die Ernte aus der Saat, die wir 1995 gesät haben." Und auch "Wir sind Kirche" will weiterkämpfen und veröffentlicht unverdrossen Stellungnahmen zu kirchenpolitischen Themen, Worten des Papstes oder der Deutschen Bischofskonferenz.

Von Nabila Abdel Aziz

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/25-jahre-kirchenvolksbewegung-wir-sind-kirche,SNDQ4rp

Zuletzt geändert am 27­.01.2021