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Veröffentlicht am 06­.10.2020

6.10.2020 - imprimatur-trier.de

„25 Jahre KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche“ – (k)ein Grund zum Feiern?

1995 haben 1,8 Millionen Menschen die fünf Forderungen des KirchenVolksBegehrens „Geschwisterliche Kirche – Frauengerechtigkeit – Aufhebung Pflichtzölibat – Positive Bewertung der Sexualität – Frohbotschaft statt Drohbotschaft“ und zusätzlich für uns in Deutschland „gelebte Ökumene“ unterschrieben. Damals war in 16 von 27 Diözesen die Unterschriftensammlung vor Kirchen verboten worden, weil die Kirchenleitungen dies als unzulässiges Aufbegehren der Gläubigen gegen die „Kirche“ bezeichneten. Das Wort des Konzils „Kirche als Volk Gottes unterwegs“ war noch nicht wirkmächtig.

Keine der Forderungen ist bisher voll und ganz verwirklicht worden, obwohl sie von vielen Theologinnen und Theologen argumentativ unterstützt sind. Aber die in der Präambel zum deutschen KirchenVolksBegehren ausgedrückte Hoffnung auf eine „intensive Diskussion“ und darauf, „gemeinsam mit dem österreichischen KirchenVolksBegehren und gleichgerichteten Initiativen in anderen Ländern ... vorhandene Dialogprozesse und Initiativen zusammenzuführen, zu unterstützen und voranzubringen“ – dies alles hat sich, allerdings erst in mühsamen Schritten, mehr als erfüllt. Doch dass die sexualisierte und geistliche Gewalt so weit verbreitet war und immer noch von den Machtstrukturen unserer Kirche gedeckt wird und dass es so mühsam war, diesen offensichtlichen Skandal anzugehen, das haben wir alle nicht geahnt.

Was haben wir erreicht? Die Menschen denken anders! Wir sind Kirche ist zum Schrittmacher für die Kirche geworden. Die Themen brennen sehr vielen auf den Nägeln. Wären sie damals ernst genommen worden, wäre vielen Menschen viel Leid erspart worden – und die verfasste Kirche stünde heute nicht vor einem Berg von Problemen und in der größten Vertrauenskrise seit der Reformation.

Mit unserer Schwangerschaftskonfliktberatung „Frauenwürde e. V.“ und unseren vielen pastoralen Angeboten von den Sonntagsbriefen bis zu den Pilger-Rad-Touren haben wir sehr konkrete Hilfe leisten können und tun dies weiterhin. Wir erfahren viel Zustimmung von der Kirchenbasis wie auch von der wissenschaftlichen Theologie. Das ist alles ermutigend.

Nach der Veröffentlichung der erschütternden MHG-Studie vor genau zwei Jahren hier in Fulda hat der im Frühjahr 2019 in Lingen beschlossene „Synodale Weg“ die Themen des 1995 in Österreich formulierten KirchenVolksBegehrens aufgegriffen: Macht und Gewaltenteilung – Sexualität und Partnerschaft – Priesterliche Existenz heute – Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche. Spät, sehr spät, hoffentlich nicht zu spät.

Wir brauchen eine theologisch fundierte Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre sowie Vorschläge für zeitgemäße Dienste und Strukturen, die von der großen Mehrheit aller Teilnehmenden, auch der Bischöfe, mitgetragen werden. Das wird dann auch Rom nicht ignorieren können.

Weder die Corona-Krise noch die jüngste Instruktion der Klerus-Kongregation darf den mühsam begonnenen dringend notwendigen Reformprozess abbremsen oder gar zum Stillstand bringen. Unser Offene Brief zu den fünf Regionalkonferenzen des Synodalen Weges am 4. September 2020 und die Mahnwachen gemeinsam mit anderen Reformgruppen sind auf viel Zustimmung gestoßen.

Wird der weltweit sehr beachtete „Synodale Weg“ keine konkreten Ergebnisse bringen und nicht von Rom rezipiert, dann werden selbst die nicht mehr da sein, die sich jetzt noch engagieren. Ich denke, Betroffenengruppen wie der „Eckige Tisch“ oder „MoJoRed e.V.“, die sehr aktive neue Frauenbewegung „Maria 2.0“, die „Ordensfrauen für MenschenWürde“ können alle gut auf unserer Bewusstseinsarbeit aufbauen und wir arbeiten jetzt auch mit den klassischen Verbänden eng vernetzt zusammen.

Inzwischen bewertet auch ein Großteil der deutschen Bischöfe unsere damaligen Forderungen anders und wir freuen uns jetzt über die Aussagen mancher Bischöfe. Doch weder beim Gesprächsprozess 2011-2015 noch beim Synodalen Weg sind wir als Reformgruppe mit einbezogen worden. Aber wir bleiben beharrlich, denn es bleibt noch viel zu tun.

Nur gemeinsam als Kirchenvolk und Kirchenleitung können wir die Zukunft der Kirche so gestalten, dass sie vielen wieder Heimat werden kann, vor allem der Jugend: eine Kirche der Glaubenden, der Hoffenden und der Liebenden, die die Themen der Menschen heute aufgreift, nämlich weltweite Solidarität und Bewahrung der Schöpfung.

Christian Weisner, Wir sind Kirche-Bundesteam

Zuletzt geändert am 14­.10.2020