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Veröffentlicht am 15­.11.2019

14.11.2019 - Saarbrücker Zeitung

Missbrauch in katholischer Kirche : Kirche debattiert über Entschädigungen

Trier Dürfen Zahlungen an die von katholischen Priestern Missbrauchten aus Kirchensteuern kommen? Eine heikle Debatte.

Von Gottfried Bohn und Dietmar Klostermann

Als die katholischen Bischöfe im September wegen der Entschädigung von Missbrauchsopfern ankündigten, „zügig an der Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung von erlittenem Unrecht weiterzuarbeiten“, fiel die Resonanz überwiegend positiv aus.

Zugleich wiesen sie aber auf Knackpunkte hin – insbesondere mit der Frage: „Wie wird die Höhe der Anerkennungsleistungen so gestaltet, dass für die Betroffenen eine höhere Zufriedenheit erreicht wird, die aber von den Bistümern und Ordensgemeinschaften auch geleistet werden kann?“ Schnell entzündete sich die Debatte daran, woher das Geld kommen soll. Schätzungen gehen von bis zu einer Milliarde Euro aus – wobei diese Zahl nie offiziell bestätigt wurde. Besonders kontrovers wird seither die Frage diskutiert, ob auch Kirchensteuermittel dafür verwendet werden.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann trat nun ungewollt eine neue Runde in der Debatte los. Natürlich müssten zunächst die Täter zur Verantwortung gezogen werden, betonte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz. Da dies aber oft gar nicht mehr möglich sei – etwa bei verstorbenen Tätern und Vertuschern – und weil die so erzielbare Summe niemals ausreichen könne, sehe er keine Alternative dazu, zumindest einen Teil aus der Kirchensteuer zu zahlen. Auch wenn es vielen widerstrebe, für Verfehlungen einzelner Geistlicher einzustehen, seien die Kirchenmitglieder als Solidargemeinschaft in der Pflicht. Im Bistum Trier habe man alle Zahlungen übrigens bisher aus dem Sondervermögen des Bischöflichen Stuhls beglichen und wolle dies auch weiter tun. Doch auch dies seien letztlich Mittel der Gemeinschaft.

Rasch schlugen die Wellen hoch und das nicht nur, weil Ackermann die Solidargemeinschaft Kirche mit jener der bürgerlichen Steuerzahler verglichen hatte, die für Kosten von Politikerfehlern aufkommen müssen. Als Beispiel nannte er die Kosten der gescheiterten Pkw-Maut – wofür er anschließend um Entschuldigung bat, weil der Vergleich „zu salopp und unpassend“ gewesen sei.

Die katholische Frauenbewegung Maria 2.0 kritisierte, für das kollektive Versagen der Bischöfe und ihrer leitenden Mitarbeiter dürften die Gläubigen als Solidargemeinschaft nicht in Haftung genommen werden: „Diese Idee der ‚Vergesellschaftung‘ von Wiedergutmachungen für begangene Verbrechen ist abstoßend.“ Auch die Initiative „Wir sind Kirche“ erklärte, die Kirchenmitglieder dürften nicht „für das Versagen der Kirchenleitungen“ einstehen müssen. Die Trierer Regelung mit Mitteln des Bischöflichen Stuhls müsse überall Anwendung finden – notfalls ergänzt um einen Finanzausgleich, wenn ärmere Bistümer sonst

Der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sagte, es sei „fatal“, in einem so frühen Stadium der Beratung davon auszugehen, dass Kirchensteuermittel eingesetzt werden können. Dies könne „zu einer Welle der Empörung führen, deren Ausmaß kaum abgeschätzt werden kann“.

Auch Illingens Bürgermeister Armin König (CDU) kritisiert den Vorschlag von Bischof Ackermann: „Das ist eine Riesensauerei“, sagte Katholik König der SZ. „Wir als Gläubige können nichts dafür, was die für den Missbrauch verantwortlichen Priester getan haben. Die Verantwortlichen sollen das aus ihrem eigenen Vermögen begleichen“, betonte König, der unlängst in einem Brandbrief an Ackermann auch scharfe Kritik an der Bistumsreform mit der Bildung von XXL-Pfarreien geäußert hatte. Die Frage der Kirchensteuer werde jetzt erst Recht zu einem großen Thema auf der politischen Tagesordnung, sagte König. Wenn jetzt Ackermann versuche, die immensen Entschädigungen für die Missbrauchstaten von Priestern auf „die Solidargemeinschaft“ abzuwälzen, sei das unverantwortlich. Auch die jährlichen Millionenzuwendungen der Länder an die Bischöfe gehörten neu diskutiert. Diese Zuwendungen gehen auf den Vertrag Reichskonkordat von Adolf Hitler mit dem Vatikan 1933 zurück. Das Saarland zahlt jährlich etwa eine halbe Million Euro an Bischof Ackermann.

Bei der  Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Dresden hieß es, man sei gegen Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer, denn „welche Institution könnte allen Ernstes entschädigen, was ein Täter jemandem an Leid angetan hat“ (die SZ berichtete). Natürlich wolle man den Opfern aber bei der Aufarbeitung und bei Therapien helfen und das kirchliche „Anerkennungs- und Unterstützungssystem“ weiterentwickeln.

https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/missbrauch-in-katholischer-kirche-bischof-ackermann-debattiert-ueber-entschaedigung_aid-47195125

 

Zuletzt geändert am 15­.11.2019