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Veröffentlicht am 01­.10.2019

Oktober 2019 – „Kirche In“

Synodalität wagen!

Mehr als ein Jahr ist schon vergangen, seit die von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebene MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ veröffentlicht worden ist. Doch was ist außer wiederholten Betroffenheitsbekundungen seitdem passiert?

Die Betroffenen wie auch der Leiter der Studie Professor Harald Dreßing sehen noch immer keine wesentlichen Fortschritte bei der Aufarbeitung. Die von Kardinal Marx vorgeschlagene Wahrheitskommission ist noch nicht eingerichtet. Von den Verantwortlichen in der deutschen Kirchenleitung hat bisher keiner wirklich Verantwortung übernommen und ist zurückgetreten. Dreßing musste sogar feststellen, dass die Quote bei den aktuellen Missbrauchsvorwürfen gegen Priester seit 2009 nicht signifikant rückläufig ist. Und der von dem Kriminologen Christian Pfeiffer im April in einem Interview mit der "Zeit" gegenüber dem Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz Bischof Stephan Ackermann erhobene Vorwurf des "Versuchs der Nötigung" verhallte ungehört.

Erst unter dem allergrößten Druck der inner- und außerkirchlichen Öffentlichkeit hatten die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung – auch die ist schon eine halbes Jahr her – in letzter Minute und auch nur mit Enthaltungen einen „verbindlichen synodalen Weg“ versprochen. Doch ob und wie dieser auf zwei Jahre angelegte Prozess wie geplant am 1. Dezember 2019 wirklich beginnen kann, stand beim Schreiben dieser Zeilen noch in den Sternen.

Dass die deutschen Bischöfe in gleichberechtigter Weise mit den „Laien“ über die heißen Eisen „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“, „Sexualmoral“, „Priesterliche Lebensform“ und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ beraten wollen, mag aus römischer Sicht unerhört sein. Doch genau dies sind die Themen, die die MHG-Studie als Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung analysiert hat. Auch Bischöfe sprechen von einer „existenziellen Krise, die vom Missbrauchsskandal nicht ausgelöst ist, hierin wohl aber einen Brennpunkt findet.“ Diese Zusammenhänge können und dürfen nicht mehr geleugnet werden. Wird sich auch der Vatikan selber auf einen synodalen Weg begeben und sich seiner Verantwortung stellen? Dann könnte es bestenfalls sogar gelingen, dass die Beratungen in Deutschland wie auch die bei der in diesem Oktober in Rom stattfindenden Pan-Amazonien-Synode wirklich „Neue Wege“ für die Kirche wagen und finden.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland

Zuletzt geändert am 03­.10.2019