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Veröffentlicht am 01­.10.2018

Oktober 2018 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

Macht, Sexualität und katholische Kirche

Die Synode im Oktober 2018 in Rom, auf der sich Bischöfe mit der Situation der Jugendlichen in unserer Kirche beschäftigen, findet in der wohl dramatischten Kirchenkrise statt, die die katholische Weltkirche je erlebt hat. Irland, der Pennsylvania-Report, die australische Missbrauchsstudie und zuletzt die von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebene sogenannte MHG-Studie zeigen das erschreckende Ausmaß der sexualisierten Gewalt in unserer Kirche und ihre jahrzehntelange Vertuschung.  

Wenn der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Stephan Ackermann in seiner ersten Reaktion auf die MHG-Studie sagt: „Wir wissen um das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs, das durch die Ergebnisse der Studie belegt wird“, so muss er und muss sich jeder einzelne Bischof fragen lassen, ob sie in den achteinhalb Jahren seit Anfang 2010, als mit P. Klaus Mertes vom Berliner Canisius-Kolleg viele Skandale in Deutschland aufgedeckt wurden, wirklich schon genug getan haben. In vielen anderen Ländern ist sexualisierte Gewalt in der Kirche, die sich oft ja auch gegen Frauen richtet, immer noch ein Tabu oder wird geleugnet.

So offen und so direkt wie Papst Franziskus in seinem Brief vom 20. August 2018 hat sich noch kein Papst vor ihm in aller Öffentlichkeit zum Missbrauch und zu den Fehlern der Kirchenleitung in dieser Sache bekannt. Sein Brief an das ganze Kirchenvolk ist auch ein Signal dafür, dass die Kleriker die Aufarbeitung nicht allein schaffen. Zu Recht prangert er den mit sexualisierter Gewalt verbundenen Macht- wie Gewissensmissbrauch an und benennt falsche kirchliche Autorität und Klerikalismus als strukturelle Hauptursachen. Doch bisher haben erst sehr wenige Bischofskonferenzen – auch die deutsche nicht – ihre uneingeschränkte Solidarität mit dem Papst erklärt und ihn auch gegen die fadenscheinige Rücktrittsforderung verteidigt.  

Bei der Synode in Rom wird es sich zeigen, ob die Bischöfe wirklich ein Herz und ein Ohr für die Jugendlichen haben. Nur dann werden sie langsam wieder Vertrauen gewinnen können. Die Jugendverbände in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol haben ihre berechtigten Anliegen dazu gerade sehr prägnant formuliert.

Für die Zukunft wird auch eine grundlegende theologische Aufarbeitung erforderlich sein. Zwar gibt es keinen zwingenden und direkten Zusammenhang zwischen katholischer Sexualmoral und Pflichtzölibat einerseits und den sexuellen Verbrechen und ihrer Vertuschung anderseits. Doch die rigide Sexualmoral sowie vor allem die kirchlichen Strukturen begünstigen diese Verbrechen und deren Vertuschung. Das hat schon 2010 der australische Weihbischof Geoffrey Robinson in seinem Buch „Macht, Sexualität und katholische Kirche“ dargelegt, das Wir sind Kirche Österreich und Deutschland gemeinsam herausgegeben haben.
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland

Zuletzt geändert am 16­.09.2018