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Veröffentlicht am 25­.05.2018

25.5.2018

Ein Plus an Schärfe

von Wolfgang Kessler

Katholikentage sind liberaler als früher. Doch für viele unbequeme Fragen braucht es den Katholikentag Plus Kein Zweifel, Katholikentage sind im vergangenen Jahrzehnt liberaler und offener geworden. Andererseits wurden viele brisante Fragen auch in Münster nur vom Publikum gestellt, nicht auf Podien.

Auf dem Katholikentag Plus, getragen vom Institut für Theologie und Politik, von der Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche und der Leserinitiative Publik-Forum, war dies anders. Während Angela Merkel zwar Trump kritisierte, aber über die Rolle der Bundesregierung in den Kriegen der Welt schwieg, legte Drewermann vor mehreren Hundert Zuhörern den Finger in die Wunde: »Das Geschäft mit Tötungsgerät läuft weltweit bestens und Deutschland ist mit seinem Maschinenbau ganz vorne mit dabei. Ein Bombengeschäft.« Solche Worte sind kaum irgendwo auf einem Podium des Katholikentages gefallen. Auch dass die Nato beileibe keine Friedensmacht, sondern oft genug selbst Kriegstreiber sei, sagte nur Drewermann laut und deutlich.

Ob es um die Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus mit der wachsenden Macht der Finanzinvestoren, um Kirchenasyl, Befreiungstheologie oder die Männer-Herrschaft in der katholischen Kirche ging – auf dem Katholikentag Plus nahm kein Referent ein Blatt vor den Mund. Insbesondere dann nicht, wenn es um die Rolle der Kirche geht.

Für Arrobo Rodas, Vertreterin der Indigenen aus Ecuador, muss die Kirche die Menschen aus der Herrschaft des großen Geldes befreien: »Wenn sie bei uns nicht an der Seite der Armen, der Indigenen gegen das große Geld kämpft«, so die Basisaktivistin, »wird die Kirche nicht mehr akzeptiert«. Während Arrobo Rodas in Lateinamerika durchaus die Unterstützung von Papst Franziskus spürt, macht sich der deutsche Blockupy-Aktivist Tomás Imhof keine Illusionen. Er, der sich in der linken Szene offensiv als Christ outet, stellt fest: »Es gibt Christen, auch kirchliche Gruppen, die sich für ein gutes Leben, für Flüchtlinge oder für das Kirchenasyl engagieren, doch die katholische Kirche war zum Beispiel bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg abwesend.« Auf die Frage nach den Gründen für die häufige politische Anpassung der Kirchenleitungen, gibt Imhof eine klare Antwort: »Die Kirchen profitieren genauso vom Kapitalismus wie die gesamte Gesellschaft, also passen sie sich an.« Er selbst sieht sich bei seinem Engagement immer zwischen zwei Stühlen: Als Linker sei er in der Kirche nicht immer wohlgelitten, als gläubiger Christ unter Linken oft ein Außenseiter. Denn viele Linke wollen und können mit Religion nichts anfangen.

Und die Reformen in der katholischen Kirche: Sie werden diskutiert, aber nicht in Recht gegossen. Zwar habe sich die Atmosphäre in der Kirche durch Papst Franziskus entspannt, man könne offener reden. Doch: Statt auf Veränderungen im Kirchenrecht setzt Franziskus auf mehr Barmherzigkeit.

Was das bedeutet, zeigt sich in der Frage der Gleichberechtigung von Frauen oder Homosexuellen in der katholischen Kirche. Darüber wurde auf dem Katholikentag Plus Klartext geredet. Die katholische Kirche betont die Würde von Frauen und sexuellen Minderheiten, gewährt ihnen aber nicht mehr Rechte. »Das Kirchenrecht ändert sich erst, wenn sich die Lehre verändert, denn das Kirchenrecht ist geronnene Theologie«, sagt der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke. Das heißt: Frauen und sexuelle Minderheiten können erst dann gleiche Rechte in der Kirche erhalten, wenn sich die Lehre von der Sexualität und die Lehre von der Rolle der Frauen in der Bibel ändert. »Für so grundlegende Veränderungen allerdings sehe ich aber kaum Anhaltspunkte«, so Lüdecke.

Auch wenn manche These holzschnittartig zugespitzt wurde, so sind offene Diskussionen wie auf dem Katholikentag Plus doch bewegender als so manche Harmonie-Veranstaltung auf dem offiziellen Katholikentag. Und sie sind wirkungsvoll: Es ist unbestreitbar, dass viele kritische Debatten auf früheren »Katholikentagen von unten« ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich der offizielle Katholikentag inzwischen vielen kritischen Anfragen (und kritischen Gruppen) geöffnet hat.

So bleibt denn die Hoffnung, dass sich Angela Merkel irgendwann auf dem offiziellen Katholikentag einem harten Rüstungsgegner wie Eugen Drewermann stellen muss. Auf diese Debatte dürfte man gespannt sein.

Dieser Text stammt von der Webseite https://www.publik-forum.de/Publik-Forum-10-2018/ein-plus-an-schaerfe des Internetauftritts von Publik-Forum

Zuletzt geändert am 26­.05.2018