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Veröffentlicht am 30­.04.2018

30.4.2018 - Handelsblatt

Heftige Kritik an Söders Kreuz-Vorstoß – „Ihr Populismus wird durchschaut“

Bayerns Ministerpräsident Söder erntet für seinen Kreuz-Erlass viel Kritik – selbst von den Kirchen. Doch die CSU prescht weiter vor.

Dietmar Neuerer

Berlin Das muss man auch erst einmal hinbekommen: Gerade einmal sechs Wochen im Amt, hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder weite Teile der Bundesrepublik gegen sich aufgebracht. Für seinen eigentümlichen Kreuz-Vorstoß erntet der CSU-Politiker Kritik, Spott und Häme.

Auf Initiative Söders hatte das bayerische Kabinett am vergangenen Dienstag beschlossen, dass in allen Behördengebäuden unter der Verwaltung des Freistaats im Eingang ein Kreuz angebracht werden soll. Für ihn sei das Kreuz „in erster Linie ein religiöses Symbol“, es gehöre „aber auch zu den Grundfesten des Staates“, sagte Söder in der ARD. Es habe eine „identitätsstiftende, prägende Wirkung für unsere Gesellschaft“.

Allerdings mag niemand so recht Söders Kreuz-Definition teilen oder eine ausgewogene Diskussion mit ihm darüber führen. Im Gegenteil: Deutlichen Widerspruch erntet der Katholik Söder ausgerechnet von der katholischen Kirche.

Kardinal Reinhard Marx warf Söder vor, mit seinem Kreuz-Erlass für „Spaltung und Unruhe“ gesorgt zu haben. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz attestierte dem CSU-Politiker gar komplette Ahnungslosigkeit, was die Bedeutung des Kreuzes anbelangt.

Wer es nur als kulturelles Symbol sehe, habe es nicht verstanden, sagte Marx der „Süddeutschen Zeitung“. Es stehe dem Staat nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute, so der Erzbischof von München und Freising. Mit seiner Kritik an Söder spricht Marx vielen aus der Seele. „Herr Söder, Ihr Populismus wird durchschaut“, schreibt etwa die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis auf Twitter.

Ihr Fraktionskollege Karl Lauterbach zollte dem Kardinal Dank und Respekt für dessen Zurechtweisung Söders. „Kardinal Marx will dass der Religionsfrieden erhalten bleibt und keine Spaltung der Religionen für billigen Wahlkampf von Söder entsteht“, erklärte Lauterbach auf Twitter. „Das zeigt wie positiv sich Kirche von der Vereinnahmung durch die Union emanzipiert hat.“

Das sieht der Grünen-Politiker Volker Beck genauso. „Krachender kann ein Kulturkampf für das christliche Abendland nicht scheitern“, so Beck auf Twitter. Zumindest gegen die Kirchen „kann die alterschristlichste bayerische Obrigkeit ihn wohl nicht führen“.

 

Söder im Kreuzfeuer – „Diese Aktion ist beschämend“

 
 

Hinzu kommt, dass auch eine Mehrheit der Deutschen nicht mit Söders Kreuz-Vorstoß mitgehen möchte. In einer Umfrage sprachen sich fast zwei Drittel der Bürger (64 Prozent) dagegen aus, dass in jeder staatlichen Behörde in Deutschland ein christliches Kreuz aufgehängt wird.

Auch unter Katholiken und Protestanten ist die Ablehnung groß, wie die repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die „Bild am Sonntag“ ergab. Bei Katholiken sind es 48 Prozent, bei Protestanten sogar 62 Prozent.

Nur die CSU scheint die Stimmungslage wohl anders einzuschätzen. Jedenfalls mag sie die Kritik nicht akzeptieren. „Die Aussagen von Kardinal Marx verwundern sehr. Vor drei Jahren plädierte er noch öffentlich für den Verbleib der Kreuze in Schulen und Gerichtssälen“, sagte die CSU-Vizechefin und Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, dem Handelsblatt.

Niemand könne leugnen, „dass unser Heimatland christlich-jüdisch geprägt ist“, betonte Bär. So spiegle die Eidesformel mit dem Schlusssatz „so wahr mir Gott helfe“ die „historisch gewachsene Einordnung des Religiösen in unsere Staats- und Gesellschaftsordnung“. Und das Kreuz sei „unser Siegel unter beziehungsweise über den verbindlichen Rechtssätzen der demokratischen Staatsordnung“, fügte die CSU-Politikerin hinzu. „Was daran falsch sein soll, darauf in Behörden hinzuweisen, erklärt sich mir nicht.“

Auch Max Josef Strauß, der Sohn des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß, ging auf Distanz zu Marx. Es gebe „weltweit kein besseres Zeichen für Nächstenliebe und Demut“, sagte Strauß dem Handelsblatt. „Durch Eigennutz und Missbrauch von Religion bis hin zur Rechtfertigung abscheulichster Verbrechen sind diese Grundsätze verstärkt in Gefahr.“ Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe daher „das richtige Zeichen zur rechten Zeit“ gesetzt. Er hätte sich deshalb von den „zeitangepassten Kirchenvertretern ein klares Wort und Bekenntnis zu diesen Grundsätzen erwartet“. Das Kreuz sei „prägend für unseren Staat, aber sicher kein Staatssymbol“, so Strauß.

Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach stellte sich auf die Seite Söders. „Ich glaube, es ist klüger, wenn ich nicht sage, dass ich mich darüber freue, wenn auch in öffentlichen Gebäuden ein Kreuz zu sehen ist und dass ich das Kreuz für ein wichtiges religiöses und kulturelles Symbol halte“, sagte Bosbach. „Das erspart mir Kritik und Ärger.“

Derweil meldete sich die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ zu Wort - und kritisierte Söders Vorstoß scharf. „Dieser übereilte Beschluss verstößt ganz offensichtlich gegen die Trennung von Staat und Kirche, die in unserem Grundgesetz verankert ist“, sagte Christian Weisner vom „Wir sind Kirche“-Bundesteam dem Handelsblatt. „Zwar hat das Christentum die europäische und damit auch die bayerische Kultur in vielerlei Hinsicht geprägt, aber das Kreuz kann nicht - wie es jetzt geschieht - als Kultursymbol für Heimat und Tradition in Anspruch genommen und vom Staat verordnet werden.“

Weisner forderte eine „tiefergehende“ Debatte darüber, was in Zukunft die Grundwerte des Zusammenlebens im Freistaat Bayern sein sollten. „Diese Debatte darf aber nicht in der Zeit des Landtagswahlkampfes geführt werden, wo es vor allem um Stimmenfang geht.“

Söder selbst reagierte leise, bedauerte den Streit. Zum Gegenangriff blies dafür umso mehr CSU-Generalsekretär Markus Blume. Er machte die Kritiker kurzerhand zur „unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern“.

Mit solchen Rundumschlägen dürften sich die CSU gerade bei Kirchenvertretern und Kirchenanhängern keine Freunde machen. Zumal der bekennende Christ Söder den Kirchen früher immer wieder vorhielt, sie sollten sich nicht in politische Themen einmischen.

Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hält denn auch die die bayerische Kreuz-Anordnung für problematisch. Es sprächen verfassungsrechtliche, theologische und integrationspolitische Gründe gegen die CSU-Aktion. „Das heißt nicht, dass die staatliche Sphäre religiös aseptisch sein muss“, sagte der Göttinger Universitätsprofessor dem Handelsblatt. „Gerade wer an der Offenheit des Staates für die Religionen seiner Bürger festhalten will, muss aber auf Gleichbehandlung beharren und gegen jeden Anschein imperativer religiöser Deutungskraft des Staates streiten.“ Deshalb seien die kritischen Einlassungen aus den Kirchen zu begrüßen.

Heinig warnte vor den Folgen der Debatte, die unter Christen bereits für „schwere Irritationen“ gesorgt habe. Mit Sorge sieht er vor allem die Äußerungen von CSU-Generalsekretär Markus Blume. „Am Ende droht der religiöse Frieden beschädigt zu werden“, warnte der Kirchenrechtler. Und genau den zu schützen bezwecke das staatliche Neutralitätsgebot.

Doch wer Söders Bereitschaft für zugespitzte Vorstöße verstehen will, muss wissen: Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt und Söder hat wiederholt erklärt, dass für ihn am Ende nur ein großes Ziel zählt – die Verteidigung der absoluten Mehrheit der CSU im Landtag. Trotz der 38-Prozent-Pleite bei der Bundestagswahl im September, trotz AfD und letztlich auch trotz Angela Merkels einstiger Flüchtlingspolitik.

Für den Kirchenrechtler Heinig steht tatsächlich der Verdacht im Raum, dass es sich beim Söder-Vorstoß vor allem um eine „Inszenierung zu Wahlkampfzwecken“ handle. „Religiös-kulturelle Identitätspolitik soll wohl die eigene Basis mobilisieren“, sagte Heinig. „Auch damit wird dem Grundgedanken, der Staat ist Heimstatt aller Bürger gleich welcher Religion oder Weltanschauung entgegengewirkt.“ Am Ende könne der Fall das Gegenteil dessen bewirken, was die Staatsregierung beabsichtige, nämlich eine „Schärfung der Neutralitätsmaßstäbe“.

Ob Söders mögliches wahltaktisches Kalkül wirklich aufgeht und er mit seiner Kreuz-Initiative gegen die AfD Boden gut machen kann, ist ungewiss. Zwar konnte die CSU zuletzt in der Wählergunst etwa zulegen. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass er den Rechtspopulisten damit sogar eher in die Hände spielt.

Die AfD steht schon länger mit der Kirche auf Kriegsfuß, was die Vize-Fraktionschefin Beatrix von Storch auf Twitter einmal mehr demonstrierte, als sie mit Blick auf Marx schrieb: „Warum die Islamisierung Raum hat? Weil das Christentum kapituliert u das Feld räumt. An der Spitze: Kardinal Marx. Auf dem Tempelberg legt er das Kreuz ab. Und auch in öffentlichen Gebäuden will er es nicht.“

Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion läuft die Diskussion sowieso in eine völlig falsche Richtung: „Kreuze in alle Behörden?“, fragte sie auf Twitter. Und schob die Antwort gleich hinterher: „Wir hätten da eine bessere Idee, @Markus_Soeder @CSU: kostenfreies, öffentliches WLAN in allen Behörden! DIE Debatte würde unser Land mal voranbringen.“

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Zuletzt geändert am 30­.04.2018