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Veröffentlicht am 02­.06.2014

2.6.2014 - Stuttgarter Zeitung

Kirche fordert mehr Einsatz für Gesellschaft

Appelle beherrschen das Ende des Treffens. Reformer üben Kritik. Michael Trauthig

Zum Abschluss des 99. Katholikentages hat der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, die Christen aufgerufen, sich stärker in Staat und Gesellschaft einzubringen. „Wir wollen und dürfen nicht besserwisserische und moralisierende Zuschauer sein“, sagte der einstige bayerische Landtagspräsident beim Abschlussgottesdienst im Regensburger Leichtathletikstadion vor rund 20 000 Gläubigen. Glück mahnte mit Bezug auf Artikel eins des Grundgesetzes, die Würde des Menschen zum entscheidenden Maßstab für die Organisation der Wirtschaft, für Gerechtigkeit und Solidarität und für den Umgang mit der Globalisierung zu machen.

Aktuell gefordert sieht der CSU-Politiker die Christen in der Debatte über Altern und Sterben. Die organisierte Sterbehilfe dürfe „nicht zur gesellschaftlich und rechtlich akzeptierten Alternative zur Pflege, zur menschlichen Zuwendung und Begleitung im Sterben werden“, betonte der 74-Jährige. Er zog auch ein positives Fazit des fünftägigen Großereignisses in Bayern, das rund 33 000 Dauerteilnehmer anzog. Dieses habe eine integrierende Wirkung für die Kirche gehabt. Ähnlich äußerte sich Kardinal Reinhard Marx. Er lobte die Vielfalt des Katholikentages und damit der Kirche. Und er rief wie Papst Franziskus besonders dazu auf, sich den Menschen an den Rändern der Gesellschaft zuzuwenden, „den Armen, den Schwachen und Kranken, den Vergewaltigten und Ausgebeuteten“.

Am Ende der Eucharistiefeier luden der Stuttgarter Prälat Ulrich Mack und der Präsident des Evangelischen Kirchentages, Andreas Barner, für Juni 2015 zum Protestantentreffen nach Stuttgart ein. Zudem appellierte der Dresdener Bischof Heiner Koch, zum Katholikentag 2016 nach Leipzig zu kommen. Dieser soll nach den Vorstellungen von „Wir sind Kirche“ anders ablaufen: Die Reformgruppen müssten von Anfang in die Vorbereitungen mit einbezogen werden. Dies sei in Regensburg nicht der Fall gewesen. Das Treffen dort sei stark von der konservativen Linie des gastgebenden Bischofs Rudolf Voderholzer und seines Vorgängers Gerhard Ludwig Müller geprägt gewesen, klagen die Reformer. Zugleich warnen sie davor, dass der positive „Franziskus-Effekt“ verpuffe.

Die Basis erwarte, dass der durch den Papst ausgelöste Schwung für Neuerungen genutzt werde. Die kirchliche Sexualmoral gehöre auf den Prüfstand. Die Entwicklung zu „XXL-Gemeinden“ müsse gestoppt werden, indem die Laien mehr Verantwortung bekämen. Für Irritationen hatte im Lager der Reformgruppen auch Alois Glück gesorgt. Der hatte vor der Presse Verständnis dafür gezeigt, dass vor Kurzem die Vorsitzende der Internationalen Bewegung von „Wir sind Kirche“, Martha Heizer, exkommuniziert wurde, weil sie private Eucharistiefeiern abgehalten hatte. Glück betonte, Heizer sei auch im Lager der Progressiven isoliert. In Wirklichkeit haben aber die deutschen Reformer, die österreichische Pfarrerinitiative und andere Gruppen der Tirolerin ihre Solidarität ausgedrückt und die Rücknahme der Strafe gefordert.

Zuletzt geändert am 05­.06.2014