27.05.2006 - Wiesbadener Kurier
Die umstrittene Frage der Gerechtigkeit
SAARBRÜCKEN "Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht" hat sich der 96. Deutsche Katholikentag in Saarbrücken auf die Fahnen geschrieben. Adressaten sind vor allem Wirtschaft und Politik. Initiativen innerhalb der Kirche empfinden die Parole aber als wenig glaubwürdig.
Von Monika Wendel und Matthias Hoenig
Gemaßregelte Theologen, Frauen, Homosexuelle, verheiratete Priester und Reformgruppen fühlen sich unfair behandelt. Gerechtigkeit in der Kirche? Der vom Amt suspendierte Saarbrücker Theologe Gotthold Hasenhüttl prangert eine "Willkürherrschaft" der Bischöfe an. In der Kirche könne er keine Gerechtigkeit erkennen. "Ich hoffe auf so etwas wie den Gorbatschow der Kirche", sagt Hasenhüttl, der sich als Verfechter der Ökumene sieht. Der Trierer Bischof Marx hatte ihn vom Priesteramt suspendiert und ihm die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.
Der Grund: Der Theologieprofessor hatte am Rande des Ökumenischen Kirchentags in Berlin auch Protestanten zur Kommunion eingeladen. Hasenhüttl, der beim offiziellen Programm des Katholikentags nicht erwünscht ist, wettert: "Das System steht über den Menschen. Das ist gegen die Botschaft Jesu Christi."
"Wie "Abtrünnige und als Verräter" würden abgesprungene Priester von manchen Bischöfen behandelt, kritisiert Klaus Schiffgen von der Vereinigung "Verheiratete Priester und ihrer Frauen". Drei Monatsgehälter, manchmal auch kein einziges bekämen Geistliche nach ihrer Suspendierung, sagt er auf dem Info-Stand der Initiative. Da Priester nicht arbeitslosenversichert sind, "stürzen sie nicht selten sozial ab". Und Nachzahlungen der Kirche in die Rentenversicherung würden nur auf niedrigem Niveau erfolgen. Willkür kritisiert Schiffgen bei der Laisierung, also der offiziellen Entlassung aus dem Priesteramt - Voraussetzung um etwa als Religionslehrer arbeiten zu können. Unter Johannes Paul II. habe das oft viele Jahre gedauert, von Benedikt XVI. erwarte man wenig.
Ungerechtigkeiten kritisiert auch die "Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen". So verlören Partnerinnen von Priestern ebenfalls ihren Arbeitsplatz in der Kirche, etwa Gemeinde- und Pastoralreferenten oder Kindergärtnerinnen. "Ich finde das Motto des Katholikentags anmaßend", sagt Maria Leunissen, Mitbegründerin der Initiativgruppe. "In der Kirche herrschen Gesetze, die den Menschen knebeln. Es gibt doch ein Urrecht auf Partnerschaft!" Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" setzt sich seit mehr als zehn Jahren für Reformen wie die Abschaffung des Zölibats und für das Frauenpriestertum ein. Mitbegründer Christian Weisner berichtet, dass es schon "Ausgrenzungen und Drohbotschaften" für Unterstützer gegeben habe. "Das Katholikentag-Motto ist richtig, aber nur über Gerechtigkeit zu reden, reicht nicht aus. Man kann nur einfordern, was man selber praktiziert."
Der Verein Maria von Magdala streitet für Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche. "Mir tut es weh, in den Gottesdienst zu gehen und all die verpassten Chancen zu sehen", sagt Mitbegründerin Annegret Laakmann. Frauen dürfen nicht Priester werden, sie dürfen nicht predigen. In der katholischen Kirche nehme bei vielen angestellten Frauen die Bereitschaft zum Engagement in Reformgruppen ab - aus Sorge um den Arbeitsplatz bei der "rigorosen Personalpolitik der Kirche".
Über eine massive Diskriminierung Homosexueller klagt Wolfgang Buchmeier, der auf der "Kirchenmeile" einen Infostand der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) betreut. "Die katholische Kirche nimmt Gerechtigkeit nicht ernst", lautet sein hartes Urteil. Der Vatikan verurteilt praktizierte gleichgeschlechtliche Sexualität als Sünde.
Zuletzt geändert am 28.05.2006