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Veröffentlicht am 26­.01.2022

26.1.2022 - merkur.de

Stimmen zur katholischen Kirche

Das zweite Münchner Gutachten verdient zu Recht große Aufmerksamkeit, weil es mit der sehr ausführlichen Darstellung des Falles „Pfarrer H.“ das toxische Muster von Vertuschung durch Leugnen, Versetzen (in diesem Fall sogar in ein anderes Bistum) und Wegschauen aufzeigt und gleichzeitig die immer zwielichtiger werdende Rolle des damaligen Münchner Erzbischofs Joseph Ratzinger offenbar werden lässt. Sein bischöflicher Wahlspruch war „Mitarbeiter der Wahrheit“. Aber mit den Aussagen in seiner 82-seitigen Stellungnahme und der dann notwendigen Korrektur hat er selber seinen Ruf auch als Theologe zerstört.  

Während seiner langen Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation (1982-2005) hat Kardinal Ratzinger noch im Jahr 2001 alle Missbrauchsfälle weltweit unter das „päpstliche Geheimnis“ gestellt. Eine fatale Entscheidung, die erst durch Papst Franziskus aufgehoben wurde. Wenn es diesen „Geheimerlass“ nicht gegeben hätte, wäre vielen Tausend Betroffenen schwerstes Leid erspart geblieben und es hätte die fundamentale Glaubwürdigkeitskrise der römisch-katholischen Kirche vermieden werden können.

Das zweite Münchner Gutachten zeigt, dass die römisch-katholische Kirche in Deutschland 27 Jahre nach dem Wiener Missbrauchsfall Kardinal Groër, 21 Jahre nach der Aufdeckung in den USA, 12 Jahre nach der Aufdeckung am Berliner Canisius-Kolleg durch P. Klaus Mertes SJ und knapp vier Jahre nach der MHG-Studie immer noch am Anfang der Aufarbeitung steht, die dringend intensiviert werden muss. Deshalb muss jetzt auch der Staat tätig werden und Aufdeckung und Aufarbeitung mit übernehmen.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Dachau

Zuletzt geändert am 04­.02.2022