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Veröffentlicht am 03­.04.2017

3.4.2917 - Süddeutsche Zeitung

Priestermangel / Brotbrechen mit Freunden

Nach einem Beschluss der Bischöfe dürfen Laien künftig katholische Pfarreien leiten. Leser finden das angesichts des eklatanten Priestermangels nur folgerichtig. Sie rufen Gläubige überdies dazu auf, ihre Priesterfixierung aufzugeben. Leserbriefe zu "Heilige Leere" vom 21. März und "Im Team mit dem Kollegen Priester" vom 20. März:

Ein Paradigmenwechsel ist nötig

Die nicht enden wollende Diskussion in der katholischen Kirche über Priestermangel, Zölibat, verwaiste Pfarreien, Monsterpfarrverbände und leere Kirchen beruht im Kern auf nur einem - uneingestandenen - Problem: auf der Priesterfixierung. Zur Lösung dieses Problems ist ein Paradigmenwechsel nötig. Dem Volk Gottes muss endlich die verantwortliche Rolle zugebilligt werden, die ihm laut Jesus zusteht. "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Das bedeutet, die katholische Kirche muss sich von dem magischen Denken und den Mythen verabschieden, dass nur durch geweihte Priester christliche Werte vermittelt werden können.

Wenn Kardinal Reinhard Marx äußert, dass die Leitungsverantwortung für eine Pfarrei an einen Laien, zum Beispiel Pastoralreferenten, nur als Übergangslösung und Provisorium zu verstehen ist, nimmt er weder die Laien noch das Wort Jesu ernst. Er hat den Ernst der Lage und die Zeichen der Zeit immer noch nicht begriffen. Das Wesentliche des Christseins wird nicht durch mehr oder weniger Priester erhalten bleiben, sondern dadurch, dass seine Botschaft der Gewaltlosigkeit, der sozialen Gerechtigkeit, der Empathie für Schwache, der Menschenrechte und -würde von möglichst vielen verinnerlicht wird. Und dies kann innerhalb oder außerhalb von Kirchen und Zeremonien geschehen.

Warum sollten kleine Gemeinschaften, etwa Freundes- oder Familienkreise, die im Geiste Jesu das materielle und geistige Brot miteinander brechen, weniger wert sein als eine glanzvolle Eucharistiefeier in einer Kirche?

Antonius Rabung, München

Gläubige können vieles selbst

Die meisten Kirchen haben keine Beter mehr, und ein großer Prozentsatz der Laien weiß gar nicht (mehr), was ihre Aufgaben als Christen sind. Wenn hier von Gemeindeleitung durch Laien gesprochen wird, dann sind doch die Voraussetzungen schon seit Jahrzehnten geschaffen durch den Pfarrgemeinderat, der in der Satzung desselben mit Recht als Seelsorgerat bezeichnet wird.

Nur sind die meisten Laien so, wie es Kierkegaard über Gänse ausdrückt: Sie wissen nicht, dass sie Flügel haben. Die meisten Laien warten nur auf Anweisungen und vergessen dabei, dass sie - wie auch jeder Priester - nur drei Aufgaben haben: Christus in der Liturgie zu feiern (nicht sich selbst!), im Alltag ihn zu bezeugen (zum Beispiel an der Arbeitsstelle) und den Menschen (zum Beispiel Randpersonen) zu dienen. Noch haben die meisten Pfarreien zwei Tatsachen nicht realisiert: dass sie eine Dorf-/Stadtkirche haben und dass darin Christus im Tabernakel anwesend ist, auch dann, wenn viele es nicht (mehr) glauben. Außerdem: dass jede Pfarrgemeinde sich ohne Amtsperson in ihrer Kirche einfinden kann, um Christus im kleinen Kreis zu feiern und miteinander zu überlegen, was sie für die Pfarrei und "Randmenschen" bis zum nächsten Treff tun können.

Was die Verwaltungsaufgaben eines gestressten Pfarrers anbelangt, muss sowohl er als auch der Dienstherr sich überlegen, was die primären Aufgaben sind. Beispiel: Ein Pfarrer muss nicht bei einem Krippenspiel dabei sein und ein Pfarrer muss sich auch nicht um Bauten oder Renovierungen derselben kümmern. Das ist Sache des Diözesanbauamtes. Außerdem: Keine Pfarrei muss einen Kindergarten und Ähnliches betreiben. Das ist Sache der Kommune, zumal die Vorgaben des Staates so deutlich sind, dass sich ein kirchlicher Kindergarten von einem gemeindlichen nicht unterscheidet.

Die Mehrheit der Laien muss sich ändern, da immer noch die Meinung vorherrscht, dass überall der Pfarrer dabei sein muss. Im liturgischen Bereich ist er aber nur nötig für die Eucharistiefeier, die Beichte und die Krankensalbung. Das Angebot an Priestern in Relation zur Nachfrage dieser drei Sakramente ist immer noch reichlich.

Siegfried Kothmeier, Gauting

http://www.sueddeutsche.de/kolumne/priestermangel-brotbrechen-mit-freunden-1.3448409

Zuletzt geändert am 26­.06.2017