28.4.2008 - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Klare Worte – aber fehlende Konsequenzen
Papst Benedikt spricht zwar von einer „tiefen Scham“, jedoch geht ihm das Wort „Entschuldigung“ nicht über die Lippen. Das Zusammentreffen mit sechs Opfern von Handlungen pädophiler Priester soll wohl ein Signal sein – dennoch das Verhalten des Vatikans und damit auch des gegenwärtigen Papstes muss trotz aller Worte und Gesten als halbherzig, widersprüchlich und inkonsequent zu bezeichnen.
Konsequent müsste für den Papst doch sein, die Bischöfe und Kardinäle, die über viele Jahre Mitwisser ( teilweise auch Mittäter) waren, nicht nur ihres Amtes zu entheben, sondern diese auch einer weltlichen Gerichtsbarkeit zuzuführen und damit auch einen juristisch abgesicherten Strafzuführungsprozess nach den Grundsätzen der zivilen Strafprozessordnung in die Wege zu leiten. Sowohl zur stillschweigenden Duldung als auch zur aktiven pädophilen Täterschaft sollte sich der Papst zu einer eindeutigen und unmissverständlichen Vorgehensweise durchringen. Vielleicht fiele dem Bischof von Rom eine unzweideutige Art des Vorgehens leichter, wenn er sich an Mt. 18,6 erinnerte : „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.“ An drei Beispielen möchte ich die von mir kritisierte Vorgehensweise des Vatikans belegen:
- 1. Zwar legte der Bischof des Erzbistums Boston, Bernard Francis Law, 2002 die Leitung des Bistums nieder, nachdem er in nicht hinreichender Weise die der Pädophilie angeklagten Priester seines Bistums verfolgt und zur Anzeige gebracht hatte, doch war es ihm noch erlaubt, am Konklave 2005 teilzunehmen. Sollten tatsächlich Bischöfe vor dem Hintergrund solcher Vorwürfe noch an einem Konklave teilnehmen dürfen? Als Seelsorger in einem Nonnenkloster braucht er sich keiner weltlichen Gerichtsbarkeit unterziehen.
2. Als Erzbischof von New York wurde Edward Michael Egan, der seit dem Jahre 2001 auch als Kardinalpriester dem Kardinalskollegium angehört, im Jahre 2003 öffentlich kritisiert, dass er gegen den Kindesmissbrauch nichts unternommen hat, obwohl der darüber informiert war. Auch Egan war Mitglied des Konklaves, das im Jahre 2005 Kardinal Ratzinger zum Papst wählte. Beim Ehrengastmahl zur Feier des 81. Geburtstages des Papstes am 16. April in Washington sitzt Kardinal Egan dem Papst am nächsten. Ist diese Etikette nur eine Petitesse? Muss die Vergebungsbitte des Papstes gegenüber den Opfern und müssen die Opfer selber eine solche Inszenierung seiner Geburtstagsfeier nicht als eine Demütigung und Heuchelei empfinden? Wie ehrlich meint es der Papst tatsächlich? Ist es vor diesem Hintergrund nicht verständlich, wenn Vertreter von Missbrauchsopfern sich enttäuscht von den Äußerungen des Papstes zum Pädophilieskandal zeigen? „Der Papst steht weiterhin hinter diesen Männern – den Bischöfen, die die Verbrechen des Klerus verheimlicht haben“, kritisierte Joelle Casteix vom Netzwerk der vom Missbrauch durch Priester betroffenen Opfer. Vielmehr müssten Bischöfe, die Schuldigen den Rücken freihielten, entlassen und schuldige Priester aus dem Amt gejagt werden, forderte sie.
3. Es ist ein Skandal, dass der Regensburger Bischof Müller einen wegen pädophiler Vergehen vorbestraften Pfarrer im Jahre 2003 entgegen den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz erneut als Gemeindepfarrer eingesetzt und der Bischof der neuen Gemeinde verschweigt, dass der neue Pfarrer wegen sexueller Verfehlungen vorbestraft war. Auch hierzu schweigt der Vatikan! Warum belässt der Papst einen Bischof, der eine solch folgenschwere Schuld auf sich geladen hat, noch weiterhin im Amt? Warum zieht Rom angesichts eines eindeutig schwerwiegenden Vergehens von Seiten des Regensburger Oberhirten nicht die notwendigen Konsequenzen – sowohl in geistlicher als auch in juristischer Hinsicht?
Allein in Massachusetts und Kalifornien haben seit Januar dieses Jahres 500 weitere Personen zu Protokoll gegeben, von katholischen Geistlichen missbraucht worden zu sein. Ein Bischof ist inzwischen zurückgetreten, 177 Priester sind unter dem Verdacht sexueller Straftaten vom Amt suspendiert worden. Juristisch verfolgt worden ist kein einziger Priester – geschweige denn ein Bischof oder Kardinal. Der Papst erinnert die Herrscher der Welt immer wieder an die Einhaltung der Menschenrechte und der Menschenwürde. Zur Einhaltung beider dient auch eine klare, nach demokratischen Regeln verlaufende Verurteilung von Klerikern, wenn diese pädophile Praktiken vorgenommen oder auch nur geduldet haben. Warum macht sich der Papst an dieser Stelle so unglaubwürdig? Quod licet Iovi, non licet bovi – Terenz lässt grüßen!
Man kann dem Opfer-Verband Snap (Survivors Network of those Abused by Priests) nur zustimmen, wenn dieser unmittelbar nach der Rede des Papstes in Washington feststellte, dass die Kirche nach wie vor mit dem Pädophilie-Skandal innerhalb des Klerus (vor allem auch auf der Ebene der Bischöfe und Kardinäle) nicht adäquat umgehe und dass die Krise keineswegs vorüber sei, denn noch immer hintergingen „hunderte Bischöfe willentlich und wiederholt" Gemeindemitglieder, würden gegenüber der Polizei schweigen und Kinder weiter Risiken aussetzen.
Paul Haverkamp, Lingen
Zuletzt geändert am 28.04.2008