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Veröffentlicht am 27­.03.2008

27./30.3.2008 an die Süddeutsche Zeitung

zu Artikeln zur "Neustrukturierung der Seelsorge" im Erzbistum München

SZ Ostern 2008, „Für jede Gemeinde ein Pfarrer“; „Ein Signal zum Aufbruch“, und SZ 07.03.08 "Neustrukturierung der Seelsorge"

Im Osterbrief an die hauptamtlichen Mitarbeiter in der Diözese ruft Erzbischof Reinhard Marx zum Strukturwandel in der Kirche auf. Das sei dringend nötig. Strukturen verkündigen genau wie Worte. Schaut man genauer auf die geplante Strukturveränderung hin, ist man enttäuscht. Das Schreiben enthält kirchenstrukturell nichts grundsätzlich Neues, sondern ist eher ein Schritt zurück. Neuer Wein in alte Schläuche?

Kardinal Wetter hatte es zugelassen, dass in einigen der im Erzbistum vorhandenen Pfarrver-bände ein Priester sich die Leitung mit einem "Pfarrbeauftragten", einem Diakon, Pastoral- oder Gemeindereferenten teilt. Oft sind Priester im Seelsorgteam, die als Geistliche im Ruhestand leben oder noch vielfältige zusätzliche Aufgaben haben.

Der Vorgänger von Reinhard Marx hatte damit behutsam und pragmatisch auf den Priestermangel reagiert und es nicht an die große Glocke gehängt. „Laien“ konnten somit an der Leitung der Gemeinden in einem viel stärkeren Maße teilnehmen als es bislang theologisch offiziell vorgesehen war. Der Charme des Vorläufigen, den diese Konstruktion trug, ist nun zu Ende.

Dieses „Experiment“ war insofern erfolgreich, als damit leitende Ansprechpartner vor Ort in den Gemeinden präsent waren. Die Gläubigen, speziell die Kirchenbesucher, kamen damit insgesamt gesehen zurecht. Ob geweiht oder nicht geweiht - die Hauptsache, die Betreffenden machten ihre Sache einigermaßen ordentlich.

Erzbischof Marx will zu den alten, eindeutigen Verhältnissen zurück. Die Gemeindeleitung wird wieder auf den Priester zentriert. "Wir werden einen Personalplan erstellen, der vor allem die Zahl der Priester im Blick behalten muss."

Es werden weitere Pfarreien zusammengelegt. Damit trennt man notgedrungen den Zusammenhang von Priesteramt und pastoralem Handeln, von Sakrament und Lebensvollzug. Gemeindeleitung und Basis werden sich zwangsläufig weiter auseinanderentwickeln. Das bedeutet Entfremdung. Ist das ein Konzept für eine "zukunftsfähige Seelsorge"?

Der Priester muss künftig abwägen, wo er, wann, wie oft eine Eucharistiefeier leitet, um den Zusammenhang von Leitung der Gemeinden und Eucharistie deutlich zu machen. Die logi-stischen Überlegungen werden von allen Gemeinden genau beobachtet werden.

Marx behauptet, es gäbe keine Alternativen. Es gibt sie aber doch:

In Poitiers, Frankreich, werden "Laien" vor Ort vom Bischof formell verantwortlich für eine Gemeinde eingesetzt. „Basisteams“ leiten kleine Seelsorgeeinheiten. Sie sind die Ansprech-partner, weil der Priester weit entfernt wohnt und nur zwei bis dreimal im Monat vorbeikommen kann. Offensichtlich hat man dort keine Angst, vor ungeweihten Quasi-Priestern. Und müsste die Angst vor Verlust an Beheimatung im Glauben nicht viel größer sein?

Ein echter Strukturwandel wäre es, die Zugangsbedingungen zum priesterlichen Dienst zu ändern. Mehr als 40 % der hauptamtlichen Pastoralreferenten und -referentinnen geben eine Berufung zum priesterlichen Amt an. Man könnte ihnen die Weihe anbieten. Mit keinem Wort geht Erzbischof Marx auf die Diskussion der Zölibatsfrage ein, wie sie der neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Zollizsch, mutig anklingen ließ. Da würden alle aufhorchen. Das wäre ein neuer Ton. Von den ausgeschiedenen und jetzt verheirateten Priestern wären nicht wenige sofort bereit, sich in ihrem eigentlichen Beruf zu engagieren. Zusammengenommen ergäbe das für den deutschen Sprachraum einige Tausend „Berufungen“.

Solange diese Alternativen nicht ernsthaft geprüft und getestet werden, sollte man fairerweise nicht von Neustrukturierung in der Seelsorge reden.

"Ressourcen bündeln", "Synergien ermöglichen", "Vernetzungen herstellen" und "Steuerungs-gruppe" ist Sprache und Methodik von Unternehmensberatern. Das ist ja alles schön und gut. Die Kirche ist aber kein Unternehmen. Vor allem es löst das Problem nicht: Die häufige und regelmäßige Teilnahme der Gläubigen an der Eucharistie, ohne Gemeinden zu zerreißen und ohne zuviel Mobilität, vor allem von den Älteren, zu verlangen.

Deswegen steht der optimistische Grundton des Schreibens in keinem Verhältnis zu den Plänen. Es führt nur zu Aktivismus, wenn den wahren Ursachen nicht konsequent nachgegangen wird. Jede Gemeinde hat dann zwar einen Priester, aber vorerst auf dem Papier. Es geht - allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz - um eine "Notordnung".

Erzbischof Reinhard Marx kommt mit fertigen alten Rezepten. Er nimmt sich zu wenig Zeit, die Lage genau zu analysieren und wirklich neue Wege zu gehen. Von jedem Pfarrer erwartet man, dass er erst einmal „aus dem Fenster schaut“ und seine Gemeinde kennen lernt, bevor er grundlegende Änderungen angreift.

Eine „Steuerungsgruppe“ soll das Konzept „zukunftsfähige Pastoral" umsetzen. Hat die Projekt-gruppe mehr Spielraum als den Priestern schmackhaft zu machen, dass sie künftig noch mehr und größere Einheiten verantwortlich leiten sollen? Und wie werden die Gemeinden wirklich einbezogen? Was sagen die Mitarbeiterinnen dazu? „Betroffene zu Beteiligten zu machen“, ist immerhin auch eine bewährte Maxime nachhaltiger Unternehmensberatung.

Dr. Edgar Büttner, Bad Aibling

Nachtrag 30.03.2008

Man könnte die Marx’sche Position als TINA der kirchlichen Hierarchie bezeichnen: Margret Thatcher beschrieb damit in den 80er Jahren Entwicklungen zu denen es angeblich keine Alternative gäbe: „There is no Alternative“. Damit wird ein Trend beschrieben. In unserem Fall zu einem neuen Zentralismus und Klerikalismus.

Zuletzt geändert am 31­.03.2008