4.3.2008 - „Neue Osnabrücker Zeitung“
zur Karfreitagsfürbitte
"Rabbiner sagt dem Katholikentag ab" 26.2.2008
und
"Zweiter Jude sagt ab" 28.2.2008
Die Teilnahmeabsagen von Rabbiner Homolka und des jüdischen Sozialwissenschaftlers Micha Brumlik am Katholikentag in Osnabrück bedauere ich zwar sehr , ich empfinde jedoch großes Verständnis für ihre jeweiligen Entscheidungen. Denn der von Papst Benedikt approbierte neue Fürbitt-Text für die (außerordentliche) lateinische Karfreitagsliturgie verrät wenig Sensibilität im Umgang mit den religiösen Gefühlen jüdischer Gläubiger. Dieser neue Text modifiziert den aus dem Jahre 1962 stammenden Text, in dem noch von der „Verblendung“ des jüdischen Volkes, das aus seiner „Finsternis gerissen“ werden müsse, die Rede war . In dem neuen Text formuliert der Papst jetzt : „Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen.“
Das 2. Vatikanische Konzil hatte bewusst auf jede Forderung nach einer Konversion „unserer älteren Brüder und Schwestern“ (Johannes Paul II.) verzichtet und in der Erklärung „Nostra Aetate“ von einer Hochschätzung der Juden gesprochen, „zu denen Gott unser Herr zuerst gesprochen hat.“ Der Fürbitt-Text des (ordentlichen) Ritus aus dem Jahre 1970 formuliert dann auch – entsprechend dem Geist des 2. Vatikanums - : „Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat : Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will.“
Hingegen lässt nun die neue Formulierung des Papstes keine andere Interpretation zu, als dass die Juden nur über Christus zum Heil gelangen können. Ein solcher Text muss ein jeder Jude als Diskriminierung bzw. Depotenzierung seiner eigenen Religion bzw. seines Glaubens empfinden. Erneut bricht sich in der katholischen Kirche der Glaube bahn, dass nur sie im Besitz der einzig möglichen Wahrheit ist – ein fatales Diktum im Bemühen um Fortschritte im jüdisch-christlichen Dialog. Dieser Dialog muss a priori zum Scheitern verurteilt sein, wenn Christen mit einem Wahrheitsmonopolanspruch den Juden die Gesprächsebene auf Augenhöhe verweigern. Der christlich-jüdische Dialog hat nur dann eine Chance, wenn Teilnehmer beider Religionen sich darauf verständigen, nicht im Besitz „der“ göttlichen Wahrheit, sondern im Besitz von Wahrnehmungen göttlicher Wahrheit zu sein.
Paul Haverkamp, 49809 Lingen
Zuletzt geändert am 05.03.2008