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Veröffentlicht am 05­.07.2010

an die Bistumspresse

Reformbewegungen leben von und aus der Basis der Kirche

Zum Artikel "Reformer ohne Basis"

Im Artikel "Reformer ohne Basis" wird einmal mehr der Versuch unternommen, verschiedene Fakten miteinander zu koppeln, die gar nicht miteinander zusammenhängen: Dass "Wir sind Kirche" keine hierarchisch durchorganisierte Struktur hat, wie sie auf Amtskirchenseite mit viel Geld und durch Macht in ihrer Existenz immer wieder zementiert wird, bedeutet nicht, dass es keine Basis gibt. Im Gegenteil, gerade dadurch, dass an Themen, Entscheidungen und Diskussion sehr viele Menschen teilnehmen können, ohne sich in Strukturen zu zerreiben, bildet "Wir sind Kirche" ein breites Spektrum der Stimmung und Meinungen an der Basis ab. Deshalb kann "Wir sind Kirche" sehr schnell brennende Themen aufgreifen und reagieren: Durch Handeln - da, wo die Bischöfe und Kirchenleitungen noch taktieren und abwägen - weil es ihnen am Ohr an der Basis mangelt oder sie diese Stimmen ignorieren. So hat Wir sind Kirche schon vor acht Jahren ein Nottelefon für von Missbrauch betroffene Opfer eingerichtet, welches ehrenamtlich mit viel Engagement betrieben wird.

Immer mehr Reformbewegungen sammeln sich unter dem Dach von "Wir sind Kirche" und legitimieren damit auch öffentliche Äußerungen in deren Sinn. Dass Reformbewegungen nicht unbedingt einen e.V.-Status brauchen, liegt in der Natur der Sache, denn hier steht die inhaltliche Arbeit im Mittelpunkt und nicht die Frage nach den Gesichtern, die diese vertreten.

"Wir sind Kirche" greift die Themen auf, die die Themen der Kirchenbasis sind: Kritik am Zölibat, der drängende Priestermangel der Gemeinden, die Sexualethik der Kirche, die Fragen nach der Zulassung von Frauen zum Priesteramt, der Umgang mit verheiratet Geschiedenen oder Homosexuellen - und dass das die Fragen sind, die an der Basis mittlerweile laut diskutiert werden, die den Menschen auf den Nägeln brennen, wissen auch die Bischöfe. Da ist es natürlich viel einfacher, die Stimme von "Wir sind Kirche" zu diskreditieren und ihr die Legitimation abzusprechen, als endlich eine Reformbasis ernst zu nehmen, zu der sich nach Untersuchungen des MDG-Trendmonitor mittlerweile 37 Prozent der gesamten Katholiken zugehörig fühlen - das sind gleichzeitig mehr als Zweidrittel der Christen, die sich noch mit der Kirche verbunden fühlen.

In ihrem Pfingstbrief ruft "Wir sind Kirche" zum "Auftreten statt Austreten" auf. Dies macht deutlich, dass Kritik und das Aufdecken von Fehlentwicklungen nichts damit zu tun haben, dass sich die Reformbewegung nicht - wie ihr Artikel Bischof Müller von Regensburg zitiert - das „notwendige Denken und Fühlen mit der Kirche vermissen“ lässt, sondern dass Engagement für Veränderung und Reformen der katholischen Kirche von der Liebe zu und der Verantwortung für diese Kirche getragen sind. Dies beinhaltet durchaus auch gezielte Provokationen, denn nur, wo Leidensdruck entsteht, wächst auch die Bereitschaft zu Veränderung. Das zeigen die Ereignisse der letzten Monate überdeutlich. Wobei die Amtskirche die Fähigkeit, bei nachlassendem Medieninteresse ohne Veränderungen zur Tagesordnung überzugehen, kultiviert hat. Deshalb ist eine aktive Medienpräsenz von entscheidender Bedeutung für die Reformbewegungen. Dies leistet "Wir sind Kirche" seit vielen Jahren - und gibt damit der Kirchenbasis die notwendige Stimme in der Öffentlichkeit. Im Letzten verhindert die Erfahrung, dass es in der Kirche auch kritische Stimmen gibt und Engagement für Reformen aktuell so manchen Kirchenaustritt - und die Bischöfe sollten dankbar sein für Menschen, die sich überhaupt noch für ihre Kirche einsetzen und viel Lebenskraft und Lebenszeit investieren, um zum Überleben der Kirche in der heutigen Gesellschaft beizutragen.

Ich bitte um Veröffentlichung als Leserbrief online und in ihrer Printausgabe.

Beate Schilling
Am Buchberg 7
97762 Hammelburg

Zuletzt geändert am 05­.07.2010