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Veröffentlicht am 21­.06.2009

21.6.2009 - Konradsblatt

Betr.: Konradsblatt 23/2009 „Meinungsfreiheit überzogen“

Wer opponiert, fliegt raus

Hinter der Überschrift hätte ich mir zumindest ein Fragezeichen gewünscht. Was war geschehen? Ein treuer und engagierter Katholik des Bistums Regensburg hatte sich erlaubt, an der Amtsführung des Regensburger Bischofs öffentlich Kritik zu üben. „Wegen seiner äußerst heftigen Opposition gegen die vom Hwst. Herrn Bischof auf dem Gebiet der kirchlichen Gremien eingeführten Neuerungen“ wurde ihm per Dekret des Generalvikars „das passive Wahlrecht für die zu wählende Kirchenverwaltung“ entzogen. Wallner legte Beschwerde dagegen ein. Zuerst beim Bischof –abgeschmettert, dann bei der römischen Kleruskongregation – abgeschmettert, dann beim „OBERSTEN GERICHT“ – Beschwerde nicht zugelassen, „weil sie offenkundig jeder Grundlage entbehrt.“ Wallner blieb hartnäckig und wandte sich am 22.11.2008 „zur Abänderung des Dekrets des Kongresses“ an das „Kollegium der Eminenzen und Exzellenzen Richter des Obersten Gerichts.“ Er bat sie, „auf diese Streitfrage zu antworten.“

Nun prüften zwei „Hwst. Eminenzen Kardinäle“ und drei „Hwst. Exzellenzen Bischöfe“ die „Rechts‑ und Sachlage“ nochmals. Die vom OBERSTEN GERICHT bestellte Anwältin vertrat die Ansicht, dass „die Proteste Herrn Wallners gegen den Hwst. Herrn Bischof von Regensburg (...) keine Übertretungen des can. 212 § 3“ darstellten.

Aber das OBERSTE GERICHT sah es anders. Es stellte fest, „dass die Art und Weise, wie die Opposition des Herrn Wallner gegen den Hwst. Herrn Bischof in die Tat umgesetzt wurde, in keinster Weise als rechtmäßige Ausübung des Rechts auf Verteidigung gewertet werden kann, da sie Streit und Hass der Gläubigen gegen ebendiesen Bischof hervorrief und seine Person herabsetzte. Die Handlungsweise des Herrn Wallner (...) fügte der kirchlichen Gemeinschaft größeren Schaden zu: All dies ist ein gänzlich ausreichendes Indiz für die Unfähigkeit zur Mitgliedschaft in kirchlichen Räten. Diese Räte sind Orte der Gemeinschaft, nicht aber Kampfplätze“, sie folgen „nicht den Kriterien der parlamentarischen Demokratie, weil ihre Arbeit Beratungs- und nicht Entscheidungscharakter hat’.“ Und außerdem: „’In den Pastoralrat dürfen nur Gläubige berufen werden, die sich durch festen Glauben, gute Sitten und Klugheit auszeichnen’. Diese Vorschrift betrifft nicht nur den Diözesanpastoralrat, sondern (...) auch den Pfarrgemeinderat und die Kirchenverwaltung.“

Das OBERSTE GERICHT kam zu dem Schluss: „Was unseren Fall angeht, so darf man behaupten, dass die öffentlichen Proteste gegen den Hwst. Herrn Bischof (...) die vom Recht geforderten Eigenschaften schwer in Misskredit brachten und mehr noch ein schwerwiegendes Indiz unklugen Handelns bei kirchlichen Dingen darstellen, das für sich schon (...) unfähig für eine Mitgliedschaft in kirchlichen Räten macht.“(Kursiv und in Anführungszeichen: wörtliche Zitate aus dem Urteil; Text unter: www.bistum-regensburg.de/download/borMedia1002305.PDF).

Ein Regensburger Pastoralreferent schrieb mir dazu: „Ich verstehe jetzt die Leute, weshalb sie im Dritten Reich geschwiegen haben; wenn man redet, dann fliegt man raus. Also schweigen, ich muss ja auch an meine Familie denken.“ Vermutlich wird es anderen so genannten „Laien“ im kirchlichen Dienst ähnlich gehen. In der ehemaligen DDR war es nicht viel anders. Herr Wallner hatte sich auf das Kirchenrecht berufen. Das sieht im Canon 212 § 3 vor, dass die Gläubigen „entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung ... das Recht und bisweilen sogar die Pflicht (haben), ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und ... den übrigen Gläubigen kundzutun.“ Ähnlich steht es auch in der Pastoralkonstitution des Zweiten Vaticanums, Art. 43 und 62.

Der ehemalige Präsident des Schweizerischen Bundesgerichts Giusep Nay sagte zu dem Urteil: Das Agieren der Kardinäle und Bischöfe „verhindert autonomes Mitdenken und Mitwirken von Laien beim Erkennen der Zeichen der Zeit und dem Handeln nach ihnen.“ Es bedeute, dass auch berechtigte Kritik an Entscheidungen von kirchlichen Amtsträgern zu Ausgrenzung von Gläubigen führen kann. Man könne allerdings hoffen, dass sich die Bischöfe nicht solcher Mittel bedienen.

Norbert Scholl, Wilhelmsfeld

Zuletzt geändert am 22­.06.2009