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Veröffentlicht am 05­.11.2010

5.11.2010 - General-Anzeiger

Georg Schwikart darf kein Diakon in Sankt Augustin werden

Von Michael Lehnberg

Sankt Augustin. Die Hangelarer sind zutiefst betroffen und entsetzt über eine Entscheidung von Joachim Kardinal Meisner. Eigentlich sollte der Hangelarer Publizist und praktizierende Katholik Georg Schwikart nach zweijähriger Ausbildung am 21. November im Kölner Dom zum Diakon für den Seelsorgebereich Sankt Augustin geweiht werden.

Doch der Kardinal hat Schwikarts Weihe ausgesetzt. "Das trifft zu. Zu den Gründen werden wir aber nichts sagen, weil es sich um eine Personalfrage handelt", sagte Michael Kasiske, Pressereferent im Generalvikariat.

Die Nachricht hat sich in Hangelar wie ein Lauffeuer herumgesprochen und es brodelt, nicht nur in der Gemeinde Sankt Anna. Denn Schwikart ist beliebt und geschätzt in Hangelar, engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Kirche. Kirchenvorstandsmitglieder erwägen nun sogar ihren Rücktritt aus dem Gremium.

Nach Informationen des General-Anzeigers hat es einen anonymen Hinweis an das Erzbistum gegeben, in dem Bezug genommen wird auf Passagen aus einem Buch Schwikarts, in dem er über den evangelischen und den katholischen Glauben schreibt.

Offenbar nimmt der Anonymus Bezug auf ein Buch, das Schwikart zusammen mit dem evangelischen Theologen Uwe Birnstein geschrieben hat. Das hat den Titel "Evangelisch? Never!" und ist in diesem Jahr erschienen. Darin macht sich das Autorenduo mit zum Teil ironischem Augenzwinkern Gedanken über die Ökumene, sagt aber auch, dass immer noch eine Mauer das Land trennt: hier Katholiken, dort Protestanten.

"Sie wissen wenig voneinander, reden viel übereinander und sind überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen. Doch immer öfter wagen sie einen Blick über die Mauer und sehen blühende Gärten statt trockener Wüsten", heißt es in der Inhaltsangabe auf Schwikarts Internetseite.

Dem Vernehmen nach hat der Hinweisgeber moniert, dass das Autorenduo Schwikart/Birnstein die Frage stellt, ob es nicht möglich sei, auch Frauen zur Diakonin zu weihen. Ein Thema, das schon in höchsten Kirchengremien wie der Deutschen Bischofskonferenz diskutiert wird.

Kardinal Meisner will das ganz offensichtlich nicht und hat Schwikart deshalb, wie aus Kirchenkreisen zu erfahren war, in einem persönlichen Gespräch mittgeteilt, dass wer so glaube, nicht zum Diakon geweiht werden könne. Auch mit der Kommunion für evangelische Christen und dem Abendmahl für Katholiken haben sich die Autoren befasst und gefragt, ob die sogenannte Interkommunion nicht doch förderlich sei auf dem Weg hin zu einer Kirche.

Bevor ein katholischer Christ zum Diakon geweiht wird, gibt es mehrere Gespräche mit dem Erzbischof. Die sollen alle problemlos gelaufen sein. Überdies fragt der Erzbischof bei jedem Kandidaten über die Gemeinden ab, ob es Einwände gebe. Vier Wochen hing ein entsprechendes Schreiben im Kirchenschaukasten aus. Im Falle Schwikarts hatte es in dem Zeitraum keine Einwände gegeben. Bis sich der anonyme Hinweisgeber an den Kardinal persönlich gewandt hat.

Die große private Feier muss Schwikart nun absagen. In einem Brief, den er an seine Freunde, Familienmitglieder und Bekannten geschickt hat und der dem General-Anzeiger vorliegt, nimmt Schwikart kein Blatt vor den Mund und berichtet von seinem Gespräch mit Meisner, das er am 2. November geführt hat.

Dort steht zu lesen, der Kardinal habe gesagt, ihm sei in 35 Amtsjahren als Bischof noch nie ein Weihekandidat vorgekommen, dem es derart an katholischem Denken mangele wie bei Schwikart. Er würde lieber überhaupt keinen Diakon weihen als einen wie Schwikart.

Der Betroffene zeigt sich in dem Brief enttäuscht und schockiert, bittet aber darum, von Protesten abzusehen und der Kirche treu zu bleiben. "Lasst Euch nicht irre machen im Vertrauen auf den lebendigen Gott", schreibt er und zitiert aus dem Evangelium Lukas: "Das Reich Gottes ist schon mitten unter uns."

Am Sonntag will Pfarrer Peter Emontzpohl die Gemeinde informieren, dass es nichts wird mit dem Diakon Georg Schwikart. Der wollte sich nicht zum Sachverhalt äußern. "Ich muss mich jetzt erst einmal neu sortieren."

http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10001&detailid=807475&r=lf





Kommentar: Kaum zu glauben
Von Michael Lehnberg

Die Entscheidung Joachim Kardinal Meisners im Fall Georg Schwikart ist kaum zu glauben, macht betroffen und lässt einen den Glauben an das Gute im Menschen und das Gute der freien Meinungsäußerung verlieren. Die katholische Kirche kritisiert man nicht. Basta! Also keine Weihe zum Diakon.

Wer Georg Schwikart kennt, wird wissen, dass er nicht nachkartet, wohl zu differenzieren weiß, und die Entscheidung bei aller Enttäuschung und allem Ärger akzeptiert. Es ist ein Zeichen von Größe, wenn Schwikart in seinem Absage-Brief an seine Gäste darum bittet, der Kirche treu zu bleiben, obwohl ihn offenbar ein Kardinal regelrecht abgekanzelt und ihm und seiner Familie eine Zukunftsperspektive genommen hat.

Schwikart ist ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie lebendig das Gemeindeleben noch ist und der Glaube gelebt wird. Es wäre dem Kardinal zu wünschen, es Schwikart gleich zu tun, von seinem hohen Ross herabzusteigen, die Gemeinde zu besuchen und sich ein wirkliches Bild über die Person zu machen.

Die Aussagen Kardinal Meisners aber lassen - wenn er sie denn so getätigt hat, wie Schwikart es schreibt - nicht darauf hoffen. Sie zeigen nur einmal mehr die Borniertheit hoher kirchlicher Würdenträger, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und ganz offensichtlich gar nicht mehr wissen, was eigentlich in ihren Gemeinden passiert.

http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10001&detailid=807478

Zuletzt geändert am 08­.11.2010