| |
Veröffentlicht am 22­.06.2010

22.6.2010 - Financial Times Deutschland

Vatikan fürchtet Finanzskandal

Der Vatikan versucht angesichts jüngster Bestechungsvorwürfe gegen einen führenden Kirchenvertreter, einen Imageschaden abzuwenden - auch mit juristischen Spitzfindigkeiten.

von Andre Tauber Mailand

Der Vatikan sprach Kardinal Crescenzio Sepe, der derzeit das Amt des Erzbischofs von Neapel innehat, "Solidarität" und "Vertrauen" aus, kündigte allerdings auch die Zusammenarbeit mit der italienischen Staatsanwaltschaft an. "Wir haben Vertrauen, dass die Situation vollständig und schnell geklärt wird", sagte ein Vatikansprecher zu Radio Vatikan.

Kardinal Sepe wird vorgeworfen, als früherer Chef der Glaubenskongregation für die Evangelisierung der Völker ("Propaganda Fide"), die Besitz von geschätzt 9 Mrd. Euro verwaltet, ein Haus an einen früheren Minister unter Marktwert verkauft zu haben. Berichten zufolge soll er auch Bauunternehmern Renovierungsarbeiten zugeschanzt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem Wochenende offiziell gegen ihn.

Der Vatikan, dessen Ansehen in den vergangenen Monaten stark gelitten hat, kann sich einen weiteren Skandal kaum leisten. Der Heilige Stuhl war im vergangenen Jahr in die Kritik geraten, nachdem ein Holocaustleugner der Piusbruderschaft rehabilitiert worden war. Papst Benedikt XVI. wurde auch die zögerliche Haltung im Skandal um Kindesmissbrauch vorgeworfen.

Es hat Tradition, dass dem Vatikan mangelnde Transparenz in Finanzgeschäften vorgeworfen wird. So wurde vor über 20 Jahren dem früheren Leiter der Vatikanbank (IOR), Bischof Paul Casimir Marcinkus, Beihilfe zum betrügerischen Bankrott der Banco Ambrosiano vorgeworfen. Der Vatikan aber verweigerte die Auslieferung. Die mangelnde Kooperation trägt dazu bei, dass noch heute über Mafiaverstrickungen der Kirche wild spekuliert wird.

Auch jetzt hätte der Vatikan viele Möglichkeiten, Ermittlungen zu behindern. Als früherer Chef von "Propaganda Fide" untersteht Sepe nicht direkt der italienischen Gerichtsbarkeit. Ein Vatikansprecher sagte, man müsse "die prozeduralen Aspekte in den Beziehungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl beachten". Was das für den konkreten Fall heißt, sagte er nicht. Der Zeitung "La Repubblica" zufolge möchten die Ermittler so schnell wie möglich Sepe verhören. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten gegen Politiker, Regierungsbeamte und Bauunternehmer wegen Korruption. Im Zentrum des Netzwerks soll der Unternehmer Diego Anemone stehen, der in Untersuchungshaft sitzt. Korruption wird unter anderem dem Chef des Zivilschutzes, Guido Bertolaso, vorgeworfen, der zahlreiche öffentliche Bauaufträge vergab. Der bestreitet die Vorwürfe.

Auf die Fährte Sepes hatte die Ermittler ein Bericht des Rechnungshofes gebracht. Die Behörde monierte, dass die Regierung dem Vatikan 2,5 Mio. Euro für die Renovierung eines Palastes in der Nähe der römischen Piazza di Spagna gewährte - Arbeiten, die nie zu Ende geführt wurden. Der frühere Infrastrukturminister Pietro Lunardi hatte 2005 das Dekret unterschrieben. Da Lunardi zuvor dem Vatikan einen Palazzo für 4,1 Mio. Euro abgekauft hatte, vermuten die Ermittler ein Gegengeschäft. Der Kaufpreis habe unter Marktwert gelegen. Lunardi bestätigt die Fakten, streitet aber Korruption ab.

Auch Sepe wehrt sich. Der Preis für das Haus sei angemessen gewesen, sagte er gestern auf einer Pressekonferenz in Neapel. Die Entscheidung zum Verkauf sei getroffen worden, bevor Lunardi überhaupt Interesse geäußert habe. "Mein einziges Ziel war das Gute für die Kirche", sagte Sepe. Es ist nicht das erste Mal, dass ein neapolitanischer Erzbischof in die Kritik gerät. Schon der Vorgänger Sepes, Kardinal Michele Giordano, musste sich gegen Korruptionsvorwürfe wehren, die sich letztlich aber nicht erhärteten.

Zuletzt geändert am 23­.06.2010