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Veröffentlicht am 18­.01.2013

18.1.2013

„Es geht um das Bewusstsein, dass alle Christen die Kirche tragen“

Tübingen: Erstmals internationales Symposium zu Kleinen Christlichen Gemeinschaften in Deutschland – 240 Teilnehmer aus vier Kontinenten

Kirchliche Basisgemeinden und Kleine Christliche Gemeinschaften als eine Antwort auf den dramatischen Wandel der herkömmlichen Strukturen der Kirchen in Deutschland - was sich dabei von Christen aus Lateinamerika, Afrika und Asien lernen lässt, diskutieren seit vergangenen Donnerstag, 17. Januar, bis kommenden Sonntag, 20. Januar 2013, rund 240 Teilnehmer in Tübingen. Die katholischen Hilfswerke Adveniat, missio Aachen und die Abteilung für Religionspädagogik der Universität Tübingen haben zum interkontinentalen Symposium „In der Welt von heute? Kirche unterwegs in christlichen Basisgemeinden“ eingeladen.

Bei der Vorstellung des Kongresses am heutigen Freitag, 18. Januar, warnte Professor Albert Biesinger (Universität Tübingen), dass in Deutschland „der Rückzug der Kirche aus der Fläche dramatische Konsequenzen hat“. So könne sie die Menschen in ihrem Alltagsstress, bei Familiensorgen, Krankheit, Pflege oder Trauer um Angehörige nicht mehr begleiten und drohe sie zu verlieren. Dagegen brauche es neue Formen einer „Pastoral der Nähe“ wie zum Beispiel „Vernetzung von Familiengruppen“ oder der „Aufbau innovativer Gottesdienstformen in Wohnvierteln“, sagte Professor Biesinger. Hier könne man von der Weltkirche lernen.

„Es geht darum, die Verantwortung jedes einzelnen Christen zu stärken“, sagte Prälat Klaus Krämer, Präsident von missio Aachen. Das sei ein wichtiger Impuls des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren gewesen. Als eine der „wichtigsten Früchte“ sei daraus die Bewegung der Kleinen Christlichen Gemeinschaften und der Kirchlichen Basisgemeinden gewachsen. missio Aachen habe deshalb schon seit den siebziger Jahren erst in Afrika, dann in den neunziger Jahren in Asien diese Bewegung begleitet. Seit der Jahrtausendwende werde dieses Konzept auch in Deutschland vermehrt rezipiert. Hier könne es in der jetzigen Situation helfen, eine „Austrocknung des geistlichen Lebens“ zu verhindern. „Wir müssen keinen deutschen Sonderweg gehen, wir können hier von der Weltkirche lernen“, sagte Krämer.

Prälat Bernd Klaschka, Geschäftsführer von Adveniat, versteht kirchliche Basisgemeinden, wie es sie in Lateinamerika seit mehr als 50 Jahren gibt, auch als Möglichkeit, dem „Ende der Volkskirche“ in Deutschland etwas entgegenzusetzen. Basisgemeinden seien Kirche als Glaubensgemeinschaft, als Lebensgemeinschaft, als Lern- und Hoffnungsgemeinschaft. „Hier lebt das Volk Gottes, Jung und Alt, Männer und Frauen, Priester und Laien feiern darin in geschwisterlicher Gemeinschaft ihren Glauben an Gott“. Sie setzten sich für eine gerechtere Welt dort ein, „wo Gewalt und Unrecht regieren“, sagte Klaschka. Adveniat unterstütze seit Beginn der sechziger Jahre „ganz im Sinne der Option für die Armen“ die kirchlichen Basisgemeinden in Lateinamerika.

Erzbischof Óscar Kardinal Rodríguez aus Honduras, der seit 47 Jahren Erfahrungen in seinem Heimatland mit Basisgemeinden gesammelt hat, nennt Basisgemeinden eine „Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des Menschen“, nämlich nach Nähe in Familien und überschaubaren Gemeinschaften. „Der Mensch ist kein Massenwesen.“ Basisgemeinden seien ein „Zeichen der Hoffnung“. In lateinamerikanischen Großgemeinden sei das Engagement von Männern und Frauen in kleinen, überschaubaren Gemeinden überlebensnotwendig.

„Bei uns gibt es Bischöfe, die sind mit Kleinen Christlichen Gemeinschaften beinahe körperlich verbunden“, berichtete Bischof Thomas Dabre aus Indien. Dort seien diese Gemeinschaften, in Indien machen Katholiken etwa zwei Prozent der Bevölkerung aus, auch ein wichtiger Akteur für den interreligiösen Dialog. Nach seinen Angaben sind in dem Land bisher rund 70.000 Kleine Christliche Gemeinschaften entstanden.

Für Schwester Josée Ngalula aus der Demokratischen Republik Kongo gelingt es mit Kleinen Christlichen Gemeinschaften, das Christentum in Afrika zu inkulturieren, ohne die eigene Kultur aufgeben zu müssen. Sie seien „afrikanisches Christentum“, das sich vor allem im Alltag der Menschen bewährt. „Mit ihnen kämpfen wir gegen Armut, gegen Ungerechtigkeit, gegen Gewalt, die ja gerade Frauen trifft. Kleine Christliche Gemeinschaften sind in diesem Kampf sehr kreativ“, sagte die Ordensfrau.

Dieter Tewes, Koordinator des Nationalteams Kleine Christliche Gemeinschaften in Deutschland, versteht alle diese weltkirchlichen Wege als Angebot an die Kirche in Deutschland, das „christliche Leben in Nachbarschaft“ auszuprobieren. „Es geht um das Bewusstsein, dass alle Christen die Kirche tragen“.

Linktipp: Digitale Pressemappe zum Symposium "Kleine Christliche Gemeinschaften" in Tübingen (17.-20. Januar 2013) mit allen weiterführenden Informationen

http://www.missio-hilft.de/de/angebote/presse/pressemeldungen/90277-es-geht-um-das-bewusstsein-dass-alle-christen-die-kirche-tragen.html

http://www.adveniat.de/presse/pressemitteilungen/aktuelle-mitteilungen/presse-artikel-detail/article/pm-internationales-symposium-in-der-welt-von-heute-kirche-unterwegs-in-christlichen-basisgemeinde/1.html

Zuletzt geändert am 19­.01.2013