| |
Veröffentlicht am 25­.02.2012

25.2.2012 - Frankfurter Rundschau

Gottesmann ohne Maulkorb

Kurt Sohns, seit 50 Jahren Priester, kämpft mit klaren Worten für die Zukunft der Kirche

Keine Frage, Kurt Sohns hat schon viele Heilige Messen zelebriert. Spricht man ihn aber auf den morgigen Sonntag an, wirkt er für einen Moment ein wenig verlegen. „Die große Feier ist eigentlich nicht meine Leidenschaft“, sagt der 76-Jährige. „Aber die Leute wollen es eben so.“ Angenehmer ist ihm da schon die Spontan-Gratulation der Kindergarten-Kinder im Pfarrhaus – das glaubt man dem Mann, der mit leiser, dialektgefärbter Stimme spricht und so gar nichts Zeremonielles an sich hat.

Vor 50 Jahren, am 24. Februar 1962, wurde Kurt Sohns zum katholischen Priester geweiht. Seit 30 Jahren wirkt er in der Gemeinde St. Paul an der Kaiserstraße. Dort wird auch der Festgottesdienst sein – mit dem Generalvikar als Vertreter des Bischofs.

Sohns stammt aus einem gemischt-konfessionellen Elternhaus. „Der Besuch der Messe war selbstverständlich.“ Der Einsatz als Ministrant ebenfalls. Zwillingsbruder Helmut, heute Pfarrer in Ingelheim, wollte schon damals Priester werden. Kurt entschied sich nach dem Abitur und hat diesen Schritt „bis heute nicht bereut“.

Das Studium beginnt er in seiner Heimatstadt Mainz, wechselt dann aber nach Innsbruck. Dort lehrt damals einer, der den jungen Priesteramtskandidaten beeindruckt. Der Theologe Karl Rahner gilt als Neuerer und wird wenig später zu einer zentralen Figur des zweiten vatikanischen Konzils.

Von der „großen Freiheit im Denken, Reden und Handeln“, die damals Einzug gehalten habe, schwärmt Sohns bis heute. Sie habe der in Formeln erstarrten Kirche neues Leben eingehaucht. Der Priester sei „vom hohen Podest gestiegen“ und habe sich „den Menschen zugewandt“, sagt Sohns und wirkt selbst wie die Verkörperung dieses Bildes.

In St. Paul stößt er neue Entwicklungen an – etwa in der Friedensarbeit, die ihm als engagiertem Mitglied von Pax Christi besonderes Anliegen ist. Gegründet unter dem Eindruck von Nachrüstung und Nato-Doppelbeschluss, geht die Offenbacher Gruppe später ebenso für Flüchtlinge und Asylsuchende auf die Straße. Auch bei der ökumenischen Aktion „Essen und Wärme“ spielt die Paulsgemeinde eine tragende Rolle. „Vielen Menschen geht es nicht gut, und das direkt vor unsrer Tür“, sagt Sohns. „Da müssen wir helfen.“ Gute Kontakte gibt es inzwischen zur Mevlana Moschee – seit zwei Jahren ebenfalls in Form eines Gemeindekreises. „Viele Deutsche tun noch immer so, als gäbe es den Islam nicht“, sagt Sohns. Hier gehe es um Dialog auf Augenhöhe.

Den sieht er innerhalb der katholischen Kirche erneut gefährdet – etwa was die Einbeziehung von Laien und eine stärkere Stellung der Frau angehe. „Ich befürchte, dass die Klerikalisierung wieder stärker wird“, etwa wenn die Austeilung der Hostie durch Laien, über Jahre selbstverständlich geworden, wieder zum „Notfall“ degradiert werde. „Eine schlimme Sache“, findet Sohns, „die wir hier natürlich nicht praktizieren“.

Dem Priester liegt die Zukunft seiner Kirche am Herzen. Er streitet für die Errungenschaften des Konzils, deren konsequente und unumkehrbare Umsetzung. Die Aufhebung des Pflicht-Zölibats schließt er da ausdrücklich mit ein – ein heißes Eisen, das beim Konzil zwar diskutiert, aber leider nicht mehr angepackt worden sei.

Sohns hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Seine klaren Aussagen sind auch in der überregionalen Presse zu lesen . „Ich mache den Mund auf, wenn ich gefragt werde“, sagt er lapidar. Den Papst kritisiert er etwa für den Einfluss des Opus Dei auf dessen Entscheidungen. Als „oberster Steuermann der Kirche“ müsse er „den starken Gegenwind der mündigen Christen zu spüren bekommen“.

Damit macht sich Sohns natürlich auch genügend Feinde. Etwa im ultrakonservativen Internetforum kreuz.net, wo er als „dem katholischen Glauben verschlossen“ und „kirchenfeindlich“ charakterisiert wird. Seine Überzeugung ficht das nicht an: „Es geht nicht ohne eine grundlegende Reform.“

Der Gottesdienst zum 50. Priesterjubiläum beginnt am Sonntag, 26. Februar, um 11 Uhr in St. Paul, Kaiserstraße 60.

http://www.fr-online.de/offenbach/gottesmann-ohne-maulkorb,1472856,11704446.html

Zuletzt geändert am 26­.02.2012