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Veröffentlicht am 08­.08.2011

August 2011 - Kirche In

ACC 2011 in Detroit : „Den Geist des Zweiten Vatikanums feiern“

Beim American Catholic Council in Detroit kamen reformorientierte Katholikinnen und Katholiken aus ganz USA und aus verschiedenen Ländern Europas und Südamerikas zusammen. Ein Bericht von Sigrid Grabmeier

Standing Ovations – Stehender Applaus, das war wohl die deutlichste Aussage, die die gut über 1600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des American Catholic Council (ACC) in Detroit im Cobo-Convention-Center treffen konnten. Es war die freudige und entschiedene Zustimmung zu den Beiträgen von Prof. Dr. Hans Küng (per Video), der bekannten Benediktinischen Ordensfrau Sr. Joan Chittister, der international engagierte Reformtheologe Dr. Anthony Padovano, der Vorsitzenden der Fakultät für Theologie und Religiöse Studien an der Univerität Seattle Prof.in Dr. Jeanette Rodriguez, der Harvard-Theologe und Autor James Carroll, sowie Papstkritiker Dr. Matthew Fox. Alle sprachen über die verschiedenen Bedeutungen und Erscheinungsweisen des Heiligen Geistes, die Visionen und Hoffnungen des Volkes Gottes, wie sie im Zweiten Vatikanischen Konzil festgehalten wurden.

Der Kardinal droht

Der ACC hatte das Cobo Center in Detroit als Versammlungsort gewählt, da an diesem Ort vor 35 Jahren – 1976 – unter Führung des damaligen Detroiter Kardinals Dearden ein von den Bischöfen der USA einberufenes Laientreffen „Call to Action“ stattgefunden hatte, im gleichen Jahr, in dem das 200 jährige Bestehen der Vereinigten Staaten gefeiert wurde. Kardinal Dearden bezeichnete 1976 das Treffen der Delegierten als einen Schritt der Erneuerung, die durch das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen worden war. In den Vereinigten Staaten bedeute diese Erneuerung sowohl „Bestärkung unserer großen Vielfalt und unserer nationalen Identität … als auch die Wahrnehmung der drängenden Nöte unseres Volkes und der Menschen in der Welt.“ Celebrating the Spirit of Vatican II – Den Geist des II. Vatikanums feiern – das war auch das Motto, das diese Veranstaltung überschrieb und von Anfang bis Ende in allen Beiträgen durchzog. Die Menschen ließen sich von diesen Botschaften mitreißen und standen auf: wider alle Drohungen des jetzigen Kardinals von Detroit, Allen Vigneron, der seinen Priestern bei Teilnahme Exkommunikation und Entlassung aus dem Dienst angedroht hatte, wider die ausgrenzende Kirchenpolitik aus Rom und für eine einladende Kirche, in der Freiheit des Gottesvolkes lebt und gelebt wird. Und so wurde der Aufforderung von Hans Küng zu einer friedlichen Revolution der Katholikinnen und Katholiken auf der Welt gegen den Absolutismus päpstlicher Macht begeistert applaudiert. „Euer größter Fehler wäre es gewesen, die Bedeutung dieser Konferenz zu unterschätzen“ so Matthew Fox am Vorabend des Pfingstfestes. Und Anthony Padovano ermutigte die Anwesenden: „der Papst stellt nicht die Einheit der Kirche her oder macht sie heilig. Das ist das Werk der Geistkraft und der Gemeinschaft. Der Papst ist nur ein institutionelles Zeichen für die Einheit, die die Gläubigen schon erreicht haben.“

Das ACC war über drei Jahre hinweg vorbereitet worden – durch ein Organisationsteam, das sich aus führenden Frauen und Männern verschiedener amerikanischer Reformorganisationen zusammensetzte und durch einen Dialog auf der Website des ACC zur Vorbereitung einer „Erklärung der Rechte und Pflichte in der katholischen Kirche“ Gleichzeitig trafen sich ungezählte Katholikinnen und Katholiken auf Gemeindeebene und in Hauskreisen und tauschten sich über das aus, was sie an ihrer Kirche besonders lieben und das, was sie verbessert sehen wollen. Die Ergebnisse waren die Grundlage für die Themen der Versammlung - genau die gleichen Themen, die auch bei uns die Diskussion um die Kirchenreform bestimmen: Freiwilligkeit des Zölibats, Frauenordination, radikale Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, Mitwirkung des Kirchenvolks bei Bischofsernennungen und Pfarrstellenbesetzung, Umsetzung der Menschenrechte und Gerechtigkeit in der Kirche, voller Zugang zu den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene und aufrichtige Ökumene. So wurde das Grußwort, das Christian Weisner für die Internationale Wir sind Kirche Bewegung und das Europäische Netzwerk Kirche in Bewegung sprach, ebenso wie die 9 VertreterInnen aus Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland und Italien herzlich aufgenommen und von allen Seiten mit der Bereitschaft zu weiterer eng vernetzter Zusammenarbeit beantwortet.

Keine Resignation

Bei dieser mit dichter geistlicher Atmosphäre angefüllten Veranstaltung war keine Resignation zu spüren sondern vielmehr der unbedingte Wille, zu handeln und etwas gegen Wagenburgmentalität und Rückwärtsgewandtheit zu setzen. Schon während der Vor-Konferenzen der verschiedenen teilnehmenden Organisationen wie Corpus, Voice of the Faithful, Future Church oder Call to Action wurde deutlich, dass es hier darum ging, den römischen Verkrustungen, der zunehmenden Klerikalisierung und den Restaurationsbestrebungen aktiv entgegenzutreten. Sowohl die Präsentation verschiedenster Initiativen in Form einer Ausstellung und im abendlichen Austausch als auch die Workshops am Samstag trugen dazu bei, dass Erfahrungen, Know How und Anregungen weitergegeben wurden. Und so erzählten Männer und Frauen begeistert von ihren Erfahrungen in kleinen, aktiven Gemeinschaften, von ihren Aktionen um sexuellen Missbrauch aufzudecken, von Gottesdiensten, die von Priesterinnen geleitet werden, von ihrer Vernetzungsarbeit auf nationaler und internationaler Ebene.

Zum Höhepunkt, der abschließenden Eucharistiefeier führte am Sonntag Vormittag Joan Chittister OSB, langjährige Priorin der Benediktinerinnen in Erie, Pennsylvania vor. Die engagierte Streiterin für Frauenordination und Menschenrechte verglich die römische Führung mit dem Pharao, der anstatt die Nöte der Menschen wahr zu nehmen seine Macht zu zementieren versucht und erinnerte daran das es Jesu „Kurie“ war, die immer wieder versuchte ihn daran zu hindern, sich den Menschen zuzuwenden, die ihn besonders brauchten. So wie das heute noch ist. Aber gerade diese Zuwendung ist die Aufgabe der Kirche. Und sie bestärkte die Anwesenden: „die Kirche, das ist das Volk Gottes, und das sind wir! Wir sind Kirche!“ Dieses Selbstbewusstsein fand seinen deutlichsten Ausdruck in der anschließenden Verabschiedung der „Catholic Bill of Rights and Responsibilities“ - 10 kurzen und prägnanten Forderungen zu den allgemeinen Rechten und Pflichten von Katholikinnen und Katholiken – die selbstverständlich stehend geschah. - Ebenso stehend geschah in der folgenden Eucharistiefeier die Beauftragung des Vorstehers durch die Gemeinde. Zwei VertreterInnen des Coucils legten Bob Wurm, 78, pensionierter Priester der Diözese Detroit, die Stola um. Trotz der Drohungen des Kardinals hatte er sich bereit erklärt, die Feier zu leiten. Gegenseitig legten sich daraufhin die Frauen und Männer in der feiernden Gemeinde ebenfalls Stolen um, sie sprachen sich so gegenseitig zu, dass sie im Dienste Jesu stehen und zeigten deutlich: „Wir sind Kirche“.

Erklärung "Catholic Bill of Rights & Responsibilities (cbrr)" des American Catholic Council, June 8, 2011:
> bishop-accountability.org/news2011/05_06/2011_06_08_AmericanCatholicCouncil_CatholicBill.htm

Grußwort Wir sind Kirche und Europäisches Netzwerk:
> we-are-church.org/413/index.php/news/we-are-church-news-and-comment/41-imwac-address-to-the-american-catholic-council

Zuletzt geändert am 04­.08.2020