| |
Veröffentlicht am 19­.10.2010

19.10.2010 - Generalanzeiger

Mit Laien gegen den Priestermangel

Kirchenrechtler sieht Ausweg aus der Krise

Von Silke Katenkamp

MÜNSTER. Um den Priestermangel aufzufangen, sollte die katholische Kirche nach Ansicht des Kirchenrechtlers Thomas Schüller ihre Gemeinden in Deutschland verstärkt von Laien leiten lassen. "Das kann ein Weg sein, der dramatisch abnehmenden Zahl von Priestern zu begegnen und Seel-sorge in den Pfarreien möglich zu machen", sagte Schüller am Rande einer internationalen Fachta-gung von Kirchenrechtlern, Pastoraltheologen und Religionssoziologen in Münster. Die Zusammen-legung von Gemeinden, die in den vergangenen Jahren in Deutschland häufig erfolgte, ist seiner Meinung nach dagegen vielerorts der falsche Weg.

"Priestermangel ist kein deutsches Problem. Das haben wir in vielen Regionen der Weltkirche", sagte Schüller, der das Institut für Kanonisches Recht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster leitet.

In Ländern Asiens, Lateinamerikas und Afrikas beauftragten die katholischen Bischöfe daher vieler-orts getaufte Laien mit der Gemeindeleitung. "Diese Laien dürfen dann im Namen der katholischen Kirche das Evangelium verkünden und Sakramente spenden", erklärte Schüller. Kirchenrechtlich sei diese Form unproblematisch. "Diese Regel wurde 1983 vom Papst in Kraft gesetzt. Ein Diözesanbi-schof kann seitdem im Ausnahmefall davon Gebrauch machen."

Während das Modell im Ausland bereits gang und gäbe sei, würden sich die Bischöfe in Deutsch-land sträuben. "Sie fürchten, dass die sakramentale Struktur der Kirche sowie die Profilierung kirchlicher Berufe Schaden nehmen könnte", so Schüller. Der Wissenschaftler sieht in dem Modell allerdings eine gute Möglichkeit, der schrumpfenden Zahl von Kirchengemeinden in Deutschland entgegenzuwirken.

"In den vergangenen zehn Jahren sind durch die Fusion von Gemeinden fast zehn Prozent der Pfar-reien verlorengegangen ", sagte Schüller. Waren es im Jahr 2000 noch 13.214 Pfarreien, gab es 2009 nur noch 12.000. "Wenn die Politik der Bischöfe keine andere wird, wird sich diese Zahl bis 2020 noch um die Hälfte reduzieren. Das ist dramatisch. " Das Laien-Modell dagegen biete den Bischöfen ein Instrument, mit dem eine lebensfähige Pfarrei gehalten werden könne. "Eine Ge-meinde ist ja nicht nur ein Pfarrer - sondern eine lebendige Gemeinschaft von Gläubigen."

Mehr als 70 Wissenschaftler aus fünf Kontinenten hatten sich auf der Tagung "Gemeindeleitung durch Laien" damit befasst, wie in pfarrerlosen Regionen Gläubige Verantwortung übernehmen können. dpa

Zuletzt geändert am 26­.10.2010