| |
Veröffentlicht am 14­.01.2019

Artikel in "OrganisationsEntwicklung"

Wie Papst Franziskus die katholische Kirche reformiert

Einschätzungen eines Organisationsberaters in der Fachzeitschrift „OrganisationsEntwicklung“ 1/2019

Pressemitteilung, München, 14. Januar 2019

Während manche Medien im sechsten Jahr der Amtszeit von Papst Franziskus schon ein Scheitern dieses Pontifikats befürchten, sieht der Theologe und Organisationsberater Dr. Edgar Büttner im Führungsstil des Jesuiten-Papstes moderne Führungsprinzipien verwirklicht, die auch dem lauten Widerstand seiner Gegner im hohen Klerus gewachsen seien. Unter dem Titel „Wandel (beginnt) an der Spitze“ (Fachzeitschrift „OrganisationsEntwicklung“ Heft 1/2019 > PDF) werden die in Gang gekommene Veränderungsdynamik sowie der Führungsstil des Papstes ausführlich reflektiert.

Die Kirche habe in 2000 Jahren ihrer Geschichte alle Fehler begangen, die sie machen konnte. Wäre sie keine lernende Organisation, gäbe es sie nicht mehr. Trotz enormer Probleme, die der Reformstau in der römisch-katholischen Kirche unter den beiden Vorgängerpäpsten angehäuft habe, sei es Papst Franziskus in kurzer Zeit gelungen, einen Stimmungsumschwung herbeizuführen, der eine klare Richtung vorgebe: eine Kirchenführung im Dienst an den Armen. Wenn dies dazu führe, die spirituellen Ressourcen der Kirchen und der Religionen mit ihrer weltweiten Präsenz in den Dienst des Friedens und der ökologischen Entwicklung zu stellen, könnten Menschen neue Hoffnung schöpfen, so Edgar Büttner, der ehrenamtlich auch Sprecher der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche im Erzbistum München und Freising ist.

Change Management im Umgang mit dem Erbe der Vorgänger

Mit einem schnellen Kurswechsel z.B. in der Frauenfrage würde Franziskus eine Kirchenspaltung größeren Ausmaßes riskieren. Durch Symbolhandlungen – als Beispiele nennt der Autor die Aufnahme von Maria von Magdala als „Apostelin der Apostel“ in den liturgischen Festkalender und die Berufung von mehr Frauen in die „Internationale Theologenkommission“ – halte Franziskus formal an den Entscheidungen seiner Vorgänger fest. Aber das Thema Frau und Weihepriestertum muss „ganz oben auf der Tagesordnung“ bleiben, so Büttner.

Franziskus ändere die Realitäten gemäß der in seiner Antrittsenzyklika Evangelii Gaudium formulierten Maxime „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“ (EG 231-233). Mit der Maxime „Die Zeit ist wichtiger als der Raum“ (EG 222-225) setze Franziskus auf einen Prozess (Zeit) des Umdenkens, anstatt die Doktrin (Raum) zu ändern. Die Kreativität der Mitarbeitenden fordere er mit der Erwartung von „mutigen und weitreichenden“ Vorschlägen z.B. gegen den Priestermangel ein. Indem er den schweren Fehler in der Einschätzung sexuellen Missbrauchs in Chile eingeräumt hat, was ihm chilenische Opfer hoch angerechnet haben, gebe er ein Beispiel dafür, Normen zu setzen und sich selbst daran messen zu lassen.

Im Rückgriff auf die Anfänge der Jesusbewegung, das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) und das Kirchenvolk öffne Franziskus das geschlossene System Kirche für eine neue Zeit. Franziskus‘ Vision sei die einer dienenden Kirche, die sich im Kampf für eine Welt ohne Hunger und Elend „verbeult“. Dazu müsse die Kirche bei sich selbst beginnen und ihre Mentalität und Struktur armenkonform gestalten.

Change Management durch Internationalisierung und Dezentralisierung

Franziskus setze darauf, dass man Kirche nicht den Klerikern überlassen darf. 99 Prozent der Kirchenmitglieder seien keine Amtsträger. Führende sollten dem Spürsinn des Volkes Gottes Vertrauen schenken, statt sie patriarchalisch zu bevormunden. Sein Change Management verlange „Rationalität, Funktionsfähigkeit, Modernität“ und habe zum Ziel, mit „erneuerten“ und nicht bloß mit „neuen“ Menschen zu arbeiten. Papst Benedikt habe mit seinem Rücktritt eine Entmythologisierung des Amtes ermöglicht. Franziskus gehe weiter und mache Schluss mit der Aura der Unantastbarkeit, die das römische Lehramt seit dem 19. Jahrhundert umgibt. Nicht alles müsse „oben“ entschieden werden. Kirche und Synode seien Synonyme.

Den Kardinals-Rat sieht Büttner als institutionalisierte „Kollegialität im Embryonalstadium“. Nie zuvor seien so viele Länder im Kreis der Kardinäle vertreten gewesen. Da sie auch von den „Rändern“ der Welt kämen, könnten sie einen theologischen Pluralismus in die Kurie einbringen und die Reformen für die Zukunft sichern.

Umgang mit Widerstand

 Ausführlich befasst sich Büttner auch mit Franziskus‘ Umgang mit Widerstand, der vom Papst primär positiv konnotiert werde. „Offener Widerstand ist heilsam“ und verdiene, gehört zu werden. In guter jesuitischer Manier solle man das Körnchen Wahrheit in den gegnerischen Argumenten finden. Gegner seien für ihn keine Feinde. Franziskus belasse ausgewiesene Reformgegner in Ämtern, was man auch als Einbindungsstrategie betrachten kann.

In Ausnahmefällen entferne Franziskus aber auch Gegner aus dem System. Er entließ z. B. Kardinal Gerhard Müller, den Benedikt noch kurz vor seinem Rücktritt berufen hatte, nach Ablauf von dessen erster Amtszeit – eine Absage an das System Benedikt. Das allseits verbreitete Wegloben bezeichnet Franziskus als „Krebs“. Franziskus benenne auch „bösartigen Widerstand“, der sich in Traditionen, Schein, Formalität in das Bekannte flüchtet oder alles auf eine persönliche Ebene bringe.

Angesichts zentrifugaler Kräfte mit aggressiven Nationalismen und National-Christentümern hält der Autor eine übernationale moralische Autorität, wie sie dieses Pontifikat verkörpere, für eine einigende Gegenmacht. Franziskus verdiene kritische Sympathie. Der konsultativ-autoritative (nicht: autoritäre) Führungsstil finde sich bereits bei Ignatius von Loyola (+1556), dem Begründer der Jesuiten. Der Führende lege seine Entscheidungs- und Beweggründe dar.
 

Edgar Büttner: Wandel (beginnt) an der Spitze.
Wie Papst Franziskus die katholische Kirche reformiert.

In: OrganisationsEntwicklung Heft 1/2019 Seite 57-61 > PDF

Pressekontakte:

Dr. Edgar Büttner (www.dr-buettner.com), Tel: 0170-2928327, edgar.buettner@faktorM.de
Magnus Lux (Wir sind Kirche-Bundesteam), Tel: 0176-41707725, lux@wir-sind-kirche.de
Christian Weisner (Wir sind Kirche-Bundesteam), Tel: 0172-5184082, presse@wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 14­.01.2019