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Veröffentlicht am 26­.09.2012

Kirchensteuerurteil

Wir sind Kirche: Ein klares Urteil des Staates, doch die kirchlichen Fragen bleiben

Pressemitteilung München / Leipzig, 26. September 2012

Zu dem heutigen Urteil des Bundesverwaltungsgericht Leipzig

Das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Leipzig war zu erwarten, da gemäß dem derzeitigen deutschen Staat-Kirche-Verhältnis für den Staat Kirche als Glaubensgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts zusammengehören. Mit diesem Urteil macht das Bundesverwaltungsgericht seine Nichteinmischung in innerkirchliche Angelegenheiten deutlich. Die KirchenVolksBewegung findet es allerdings bemerkenswert, dass nach diesem Urteil beim Kirchenaustritt der Zusatz „aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts“ nicht notwendiger, aber auch nicht schädlicher Teil der Bezeichnung für die Religionsgemeinschaft ist, aus der das Kirchenmitglied austreten will. Insofern ist das ursprüngliche Urteil des Freiburger Verwaltungsgerichts wieder hergestellt, gegen das das Erzbistum Freiburg beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim Einspruch erhoben hatte.

Dieses Urteil löst jedoch keineswegs die innerkirchlichen Probleme, die sich aus dem deutschen Kirchensteuersystem ergeben. Nach Ansicht der katholischen Reformbewegung bleiben die Fragen und Unklarheiten bestehen, inwieweit das am 24. September 2012 in Kraft gesetzte Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt kirchenrechtlich ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist, theologisch schlüssig und pastoral sinnvoll ist.

Die Bischöfe bleiben in der Bringschuld, theologisch und rechtlich überzeugend zu erklären, welchen Rechtscharakter die Sanktionen haben, wenn sie von selbst eintreten, aber keine Kirchenstrafe sind. Welche Rechtseinschränkungen wird es genau geben, wenn der Pfarrer nach dem Gespräch feststellt, dass es nicht um eine Lossagung von der Glaubensgemeinschaft, sondern um die Ablehnung kirchlicher Strukturen und des staatlichen Kirchensteuereinzugs geht? Was sind die „entsprechenden Maßnahmen“, die die Bischöfe ergreifen wollen? Auf welchem Wege soll das geschehen? Der angedrohte Ausschluss vom Gemeindeleben ist eine de facto-Exkommunikation. Nach katholischer Lehre ist die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft auf der Taufe gegründet, nicht auf die Eintragung in einem staatlichen Register. Natürlich hat eine Glaubensgemeinschaft auch das Recht auf finanzielle Zuwendungen ihrer Mitglieder, keinesfalls darf aber die Verweigerung oder Reduzierung derselben eine vollständige Ausgrenzung von den Sakramenten nach sich ziehen.

Das Dekret, das rechtzeitig im „Kirchlichen Amtsblatt des Vatikan“ zu veröffentlichten gewesen wäre, wurde am 28. August 2012 in Rom durch die Kongregation für die Bischöfe rekognosziert, die aber möglicherweise für solche Fragen gar nicht zuständig ist. Im Jahr 2006 war es der Päpstliche Rat für Gesetzestexte, der klarstellte, dass ein Kirchenaustritt vor staatlichen Stellen nicht ausreicht, um einen Glaubensabfall zu dokumentieren und damit eine Exkommunikation und den Ausschluss von den Sakramenten zu rechtfertigen.

Das Dekret der Bischöfe wird die Diskussion um die Ausgestaltung und Transparenz der Kirchensteuer, um die Bezahlung von Bischöfen und Pfarrern (staatliche Dotationen) und um die Finanzierung katholischer Bildungs- und Sozialeinrichtungen (die ja überwiegend durch staatliche Zuschüsse getragen werden) neu entfachen. Mittelfristig sind auch negative Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft für die katholischen Hilfswerke zu befürchten, die immer mehr – Beispiel „Caritas Internationalis“ – unter römische Kontrolle geraten.

Nach wie vor setzt sich die KirchenVolksBewegung dafür ein, dass das Kirchensteuersystem sowie die Finanzverwaltung innerhalb der römisch-katholischen Kirche in Deutschland einer grundsätzlichen Revision unterzogen wird. Anzustreben sind Modelle wie beispielweise in der Schweiz, wo innerhalb eines dualen Systems die Kirchensteuer ausschließlich durch gewählte Laiengremien auf der Ebene der Kirchengemeinde von unten nach oben verwaltet wird.

Die künftig anzubietenden Seelsorgegespräche mit den Ortspfarrern – so sinnvoll sie auch sein mögen – stellen eine erhebliche zusätzliche Belastung für diese Priester dar, die durch die Bildung von Großpfarreien schon jetzt völlig überlastet sind. Die Bischöfe selber dagegen entziehen sich dem Gespräch und verlagern die Auseinandersetzung auf die untere Ebene. Denn der formale Kirchenaustritt wird oft nicht wegen tiefer Glaubensfragen, sondern vor allem wegen kirchlicher Moral- und Strukturfragen (Pflichtzölibat, Frauenfrage etc.) vollzogen. Ohnehin fragen sich immer mehr Menschen, warum sie unverändert Kirchensteuer zahlen sollen, wo doch durch die Schließungen und Zusammenlegungen von Pfarreien das pastorale Angebot seit Jahren massiv abgebaut wird.

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Zuletzt geändert am 26­.09.2012