zum Interview von Papst Leo
Eine erste Reaktion von Wir sind Kirche am 18. September 2025
Die aktuellen Aussagen im Interview von Papst Leo sind für viele Menschen und ganz sicher nicht nur in West-Europa (ich denke an verfolgte Homosexuelle in afrikanischen Ländern, missbrauchte Frauen in Indien, verlassene Mütter in Südamerika) äußerst enttäuschend. So schön das Beispiel „traditionelle Familie“ für manche klingen mag, es entspricht – das wissen wir alle – nicht der menschlichen Lebenswirklichkeit. Und selbst wenn es nur als „Ziel“ gesehen wird, trägt es doch dazu bei, viele Menschen mit Gewissenskonflikten zu belasten, anstatt ihnen Hilfen zur Lebensbewältigung zu geben.
Das Grundproblem liegt m.E. darin, dass Papst Leo hier in die Falle tappt, gutes Christ:in-Sein vor allem wieder auf die individuelle Sexualmoral zu konzentrieren; ein Kurs vor allem auch konservativer Strömungen bzw. Evangelikaler Kirchen, den Karol Wojtyla durch seine „Theologie des Leibes“ verfestigen wollte. Vielleicht schimmert hier auch die sexualfeindliche Theologie von Augustinus durch. Da hilft es dann auch nicht, am Ende wieder alle Menschen in der Kirche willkommen zu heißen. Konkrete Ausgrenzung erleben die einzelnen Menschen dann ja vor allem in den Gemeinden. Papst Leo muss sich die Frage gefallen lassen, wie er diese seine Aussagen theologisch und pastoral begründet und inwieweit er meint, dass sie dem aktuellen Wissensstand der Humanwissenschaften entsprechen.
Ich kann nur hoffen, dass die bisherigen Hoffnung stiftenden Aussagen von Papst Leo bezüglich Einheit, Frieden (in der Welt wie in der Kirche) und Synodalität (d.h. gemeinsamer Beratung und Entscheidung) mit den Aussagen in diesem Interview nicht ein jähes Ende gefunden haben. Wenn die Spaltungen innerhalb unserer Kirche auf Dauer behoben werden sollen, dann braucht es ein gemeinsames Vorgehen, fundiertes Argumentieren und vor allem Botschaften, die den Menschen Hoffnung geben, anstatt neue Hürden aufzubauen.
Wir erwarten, dass die Bischöfe, Theologinnen und Theologen sowie die vielen Mitglieder des Volkes Gottes, die sich jahrelang intensiv und argumentativ beim Synodalen Weg in Deutschland wie auch im weltweiten synodalen Prozess mit diesen und anderen aus unserer Sicht existenziellen Fragen der kirchlichen Gemeinschaftsbildung (z.B. „Frauenfrage“, Dienste und Leitungsformen) befasst haben, auch weiter zu ihren Positionen stehen und diese weiterentwickeln.
Zuletzt geändert am 18.09.2025