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Gebet in den Tagen des Terrors


Gott, Vater und Mutter, in unseren Gottesdiensten beten und singen wir –
und doch dreht sich oft alles nur um uns und unser geordnetes Leben.

Wir erschrecken erst dann,
wenn die brutale Wirklichkeit nicht mehr in der Ferne liegt,
sondern uns hautnah betrifft,
wenn der Terror, der an den Grundfesten unserer Welt rüttelt,
auch bei uns angekommen ist.

Wir beklagen jetzt die entsetzliche, sinnlose Gewalt gegen Menschen,
die sich nichts zuschulden haben kommen lassen und die Opfer des Terrors geworden sind;
denn wir haben uns zu sehr daran gewöhnt,
in einem Land des Friedens und Wohlstands wie auf einer Insel der Seligen zu leben.

Wir rufen laut nach Sicherheit,
die der Staat uns letztlich doch nicht garantieren kann;
denn wir haben uns zu sehr daran gewöhnt,
uns in Sicherheit zu wiegen, obwohl es in der Welt brennt.

Wir sind geneigt,
nach den furchtbaren Massakern alle Flüchtlinge und Asylsuchenden
unter Generalverdacht zu nehmen und in ihnen nicht die Opfer, sondern die Täter zu sehen;
denn wir haben uns zu sehr an den Gedanken gewöhnt,
das Fremde sei auch das Angstmachende, vor dem wir uns schützen müssten.

Wir sehnen uns alle nach Liebe,
doch wir sind oft nicht bereit, sie gerade jetzt bedingungslos zu schenken;
denn wir haben uns zu sehr daran gewöhnt,
dass Liebende oft die Ausgenutzten sind.

Wir hören nicht hin,
wo es Menschen mit der Wahrheit nicht so genau nehmen;
denn wir sind zu sehr an die Lüge gewöhnt,
die mit fertigen und scheinbar klaren, einfachen Antworten daherkommt.

Wir rufen zwar nach Gerechtigkeit,
aber meist nur, wenn wir, wie jetzt, selbst von Unrecht betroffen sind;
denn wir haben uns zu sehr daran gewöhnt,
dass es keine wirkliche Gerechtigkeit gibt.

Wir rufen nach Frieden in der Welt,
doch wir wissen nicht, wie wir ihn schaffen sollen;
denn wir haben uns zu sehr daran gewöhnt,
dass die Völker und Staatslenker ihren eigenen Vorteil suchen und versprochenen Frieden sowieso nicht halten.

Wir bitten dich, Gott, du Vater und Mutter aller Menschen:
Lass uns erkennen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind.
Die sinnlose Gewalt muss uns enger zusammenführen
und uns zu Mitmenschen machen. Amen

Magnus Lux, Juli 2016

Zuletzt geändert am 31­.07.2016