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Veröffentlicht am 18­.01.2013

Kriminolog. Forschungsvorhaben

"Transparente wissenschaftlich Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche unabdingbar"

Wir sind Kirche zur Sitzung des "Ständigen Rates" der DBK am 21./22. Januar 2013 in Würzburg

Pressemitteilung München/Würzburg, 18. Januar 2013

Auf Anfrage stehen VertreterInnen der KirchenVolksBewegung am 21./22. Januar 2013 auch in Würzburg am Tagungsort der Bischöfe für Interviews zur Verfügung.

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche fordert die deutschen Bischöfe auf, deren "Ständiger Rat" am 21. und 22. Januar 2013 in Würzburg tagt, das kriminologische Forschungsprojekt zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche möglichst schnell und unter neuen Rahmenbedingungen fortzusetzen.

Um ein erneutes Debakel wie die Aufkündigung des Vertrages mit Prof. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V. (KFN) zu vermeiden, sollten in das Forschungsvorhaben mehrere Wissenschaftsteams und vor allem auch der Staat als politisch verantwortlicher Partner eingebunden werden. Die Kontrollfunktion des Staates könnte durch den "Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs", Johannes-Wilhelm Rörig, sowie durch das Bundesforschungsministerium wahrgenommen werden, das sich möglicherweise auch an den Forschungskosten beteiligen könnte. Nur eine solche Konstruktion erscheint jetzt geeignet, eine wirklich unabhängige und wissenschaftlich-transparente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der römisch-katholischen Kirche sicherzustellen.

Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die umfangreiche öffentliche Finanzmittel erhält, muss sich auch der öffentlichen Kontrolle stellen. Wir sind Kirche erinnert daran, dass nach den Vertuschungsskandalen sexualisierter Gewalt in Irland der Staat öffentliche Untersuchungen durchgeführt hatte (Murphy-Report und Ryan-Report). Im ebenfalls sehr katholisch geprägten Belgien hatte der Staat Haus und Büro eines der Vertuschung verdächtigten Kardinals durchsucht.

Neben der Opfer- und Täterforschung sind auch die durch das System der römisch-katholischen Kirche bedingten Ursachen intensiv zu untersuchen, wie Autoritäts- und Gehorsamsstrukturen, Sexuallehre, Lebensform der Priester. Nur dies wird zukünftig eine wirksame Prävention ermöglichen, die mehr ist als nur eine Verlagerung der Verantwortung auf die unteren Ebenen durch bürokratische Selbstverpflichtungen.

Bezüglich des Datenschutzes sollten die deutschen Bischöfe jetzt endlich klarstellen, wie bei "Sittlichkeitsverfahren" - seien sie staatlich vorfolgt oder nicht - die kirchlichen Regelungen zur Aktenführung, Löschung und ggfs. auch Weitergabe an die Glaubenskongregation im Vatikan sind und wie diese Regelungen in den einzelnen Bistümern angewendet werden.

Wir sind Kirche warnt eindringlich davor, die am 7. Dezember 2012 in Trier vom Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Stefan Ackermann, vorgestellten Ergebnisse der von Prof. Dr. Norbert Leygraf geleiteten Studie als Entwarnung für die Kirche zu interpretieren. Danach seien nur fünf Prozent der Täter wirklich pädophil (was für die Opfer keinen Unterschied macht!) und fast alle Täter weiter in der Pastoral einsetzbar (ein krasser Widerspruch zu der von Papst Benedikt XVI. geforderten Null-Toleranz-Politik!). Das Hauptmanko dieser Studie: Es wurden nur 78 von den Bischöfen handverlesene Täterakten ausgewertet.

Bei aller Anerkennung der verschiedenen Einzelmaßnahmen in den vergangenen drei Jahren mehren sich allerdings die Zeichen, dass einige der im Krisenjahr 2010 in allerhöchster Not eingeleiteten Maßnahmen schon wieder zurückgefahren werden. So wurde auch der von den deutschen Bischöfen versprochene "Dialogprozess" sehr schnell zu einem von ihnen kontrollierten unverbindlichen und langjährigen "Gesprächsprozess" herabgestuft. Es ist zu befürchten, dass der damals von der Bischofskonferenz als Missbrauchsbeauftragte eingesetzte Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann als einer der jüngsten Bischöfe sich zu wenig gegen die beharrenden Kräfte in der Bischofskonferenz durchsetzen kann.


Pressekontakte:

Sigrid Grabmeier, Tel: 0170 8626 290, E-Mail: grabmeier@wir-sind-kirche.de
Magnus Lux, Tel: 0176-41266392, E-Mail: Famlux@t-online.de
Christian Weisner, Tel: 0172-518 40 82, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

Auf Anfrage stehen VertreterInnen der KirchenVolksBewegung am 21./22. Januar 2013 auch in Würzburg am Tagungsort der Bischöfe für Interviews zur Verfügung.

H i n t e r g r u n d :

Irland:
Öffentliche Untersuchung zum sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese Dublin
> Murphy-Bericht
Öffentlichen Untersuchung zum Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Irland > > Ryan-Bericht

Belgien:
Haus und Büro von missbrauchsverdächtigem Kardinal durchsucht
> Focus 24.6.2010

Codex Iuris Canonici (1983)
Can. 489 § 2 . Jährlich sind die Akten der Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren, deren Angeklagte verstorben sind oder die seit einem Jahrzehnt durch Verurteilung abgeschlossen sind, zu vernichten; ein kurzer Tatbestandsbericht mit dem Wortlaut des Endurteils ist aufzubewahren.


Mehr Informationen zu diesem Thema: www.wir-sind-kirche.de/?id=243

Zuletzt geändert am 18­.01.2013