Herbstvollversammlung DBK (Ende)
Wir sind Kirche: "Der Papst ist wieder in Rom – die weltweite Kirchenkrise aber noch lange nicht behoben."
Wir sind Kirche zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Zwölf Tage nach Ende des Deutschlandbesuchs von Papst Benedikt XVI. wird immer deutlicher, wie wenig hilfreich dieser aufwändige Staats- und Pastoralbesuch für die Kirche in Deutschland war. Sollte der Papst je die Absicht gehabt haben, mit seinem Besuch die Einmütigkeit der deutschen Katholikinnen und Katholiken mit den Bischöfen zu befördern, so ist ernüchternd festzustellen, dass er wohl eher das Gegenteil erreicht hat.
Eine Konsequenz wird mit Sicherheit sein, dass die Illusion von einer Kirchenleitung, die sich für die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ interessiert, endgültig zerstört ist (GS 1, Pastorale Konstitution Gaudium et Spes über die Kirche in der Welt von heute). Daran wird auch aller Zweckoptimismus und alle Schönrederei der Bischöfe nichts ändern.
Gerade auch für viele gutgläubige Katholikinnen und Katholiken ist die Enttäuschung groß, dass Papst Benedikt so wenig Bereitschaft gezeigt hat, die sogar vom Bundespräsidenten deutlich angesprochene innerkirchliche Krisensituation wenigstens zur Kenntnis zu nehmen. Dass er nicht zur Weiterführung des von den Bischöfen begonnenen Gesprächsprozesses ermutigt hat, ist alarmierend und zeigt, dass er seiner Aufgabe als Leiter der Weltkirche nicht gerecht geworden ist.
Neuer Anlauf für den bischöflichen Gesprächsprozess?
Die deutschen Bischöfe sind jetzt vor allem daran zu messen, inwieweit sie Wort halten bezüglich des vor genau einem Jahr ebenfalls in Fulda angekündigten Gesprächsprozesses. Denn wenn es überhaupt eine Chance geben soll, den unermesslichen Vertrauensverlust der römisch-katholischen Kirche Schritt für Schritt zu beheben, so müssen wirklich alle Bischöfe den erst mühsam und in den einzelnen Bistümern sehr unterschiedlich begonnenen Gesprächsprozess engagierter und zügiger als bisher fortsetzen. Es wäre eine fatale Entwicklung für die Kirche, wenn dieser ursprünglich als Dialog angekündigte, mittlerweile schon herabgestufte unverbindliche Gesprächsprozess genauso im Nichts verlaufen würde wie der „Dialog für Österreich“ nach dem österreichischen Kirchenvolksbegehren 1995.
Dabei geht es nicht um einen deutschen Sonderweg, eine Abkehr von Rom oder eine Nationalkirche. Die drängenden pastoralen Fragen wie die Teilhabe der sogenannten Laien, vor allem der Frauen am kirchlichen Leben, die Sicherstellung der sonntäglichen Eucharistiefeier und das Weiterbestehen gewachsener Gemeindestrukturen stellen sich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Auch die jahrzehntelange Vertuschung sexualisierter Gewalt, die die aktuelle Krise noch verschärft hat, ist ein weltweites Problem des Klerikalismus der römisch-katholischen Kirche.
Glaubensfragen und Strukturfragen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern hängen eng miteinander zusammen; auch kirchliche Strukturen predigen. Die vom Papst für Europa angestrebte „Neuevangelisierung“ wird nur möglich sein, wenn sich „Kirche“ als dialogfähig mit der „Welt“ erweist, wenn sie auch bereit ist zur Inkulturation – so wie das Christentum in den frühen Jahrhunderten in den Kulturen des Mittelmeerraumes Fuß gefasst hat.
Neue Aufbrüche an der Kirchenbasis
Der Aufruf der Pfarrer-Initiative in Österreich (www.pfarrer-initiative.at), die beispielhafte Ökumenische Erklärung „tun, was uns eint!“ der Bruchsaler Kirchengemeinden (www.joerg-sieger.de/oekumene.htm) sowie die Unterschriftenaktion der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) für Geschieden-Wiederverheiratete (www.kfd.de) zeigen, dass die Kirchenbasis jetzt an vielen Orten zu Recht und ohne schlechtes Gewissen selber Verantwortung übernimmt, wenn die Kirchenleitung keine plausiblen Antworten auf die drängenden pastoralen Probleme gibt.
Die Hoffnung, „die da oben“ werden es schon richten, trägt nicht mehr. Deshalb brauchen wir dringend neue Formen der Beteiligung an der Lösung der zentralen Zukunftsfragen, um in der jetzigen Zeit großer Umbrüche Verantwortung zu tragen und – mit Gottes Hilfe – auch zu wagen. Das Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“ des Mannheimer Katholikentages im kommenden Jahr muss Leitschnur angesichts der aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Krisen sein, die nur gemeinsam bewältigt werden können.
Hoffnung gibt es nur in einem Aufbruch, in einem Neubeginn und in einer radikalen Rückbesinnung auf Jesus von Nazareth, der sein Wort vom liebenden, barmherzigen Gott in aller Konsequenz verwirklicht hat. Dies bietet die Chance einer neuen Freiheit, die die Menschen aller Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen solidarisch und in Hoffnung miteinander verbinden kann.
Neue Diskussionen auch um die Kirchensteuer
Der Aufruf des Papstes zur „Entweltlichung“ und zum Verzicht auf „Privilegien“ hat – ob beabsichtigt oder nicht – schon jetzt die Diskussion um das Verhältnis von Staat und Kirche sowie im Besonderen den Zusammenhang von Kirchensteuer und Kirchenmitgliedschaft neu belebt. Dabei sollte der Papst aber nicht vergessen, dass der Vatikan, die Priesterausbildung in Afrika und Südamerika sowie die weltweiten Hilfswerke zu einem ganz erheblichen Teil von Deutschland aus finanziert werden. Auch die Freiheit der Theologie an den deutschen Hochschulen mag dem Papst jetzt ein Dorn im Auge sein – obwohl er selber von der Qualität dieser Ausbildung profitiert und sich früher selber für die Freiheit der theologischen Forschung ausgesprochen hat.
Der wiederholte Versuch, das deutsche Kirchensteuermodell, das letztlich auf einem Affront Bismarcks gegen die römische Kirche basiert, vor dem Papst in Schutz zu nehmen, wirkt hilflos. Die Bischöfe tun dies sicher auch in dem Bewusstsein, dass durch die Kirchensteuer Arbeitsplätze gesichert werden und Substanz in materieller und organisatorischer Hinsicht erhalten wird. Viel wichtiger als die Verteidigung dieses und anderer „Privilegien“ wäre jedoch anlässlich der Papstkritik ein deutliches Bekenntnis zu den über mehr als ein Jahrhundert gewachsenen Laienstrukturen und zum verantwortlichen Selbstbewusstsein des Laienapostolats.
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Zuletzt geändert am 07.10.2011