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Veröffentlicht am 13­.09.2010

15 Jahre Wir sind Kirche (3)

Wir sind Kirche: 15 Jahre die Kirche bewegt und weiter auf Konzilskurs

Pressemitteilung München / Mainz / Mannheim, 13. September 2010

Mit einer Schiffstour auf dem Rhein feierte die katholische Reformbewegung Wir sind Kirche am Sonntag, 12. September 2010, ihr 15-jähriges Bestehen in Deutschland. Unter dem Motto „Gegen den Strom von Rom“ nahmen mehr als 150 Menschen bei sonnigem Wetter an der abwechslungsreichen Fahrt von Bingen über die Bischofsstadt Mainz nach Mannheim teil, wo im Jahr 2012 der nächste Katholikentag stattfinden wird.

„Oft schien es ja in den vergangenen Jahren, wir Reformer seien angesichts der hierarchischen Macht ohne Chancen“, ermutigte der weltberühmte Theologe Prof. Dr. Hans Küng, der die Schirmherrschaft übernommen hatte, in seinem Grußwort. „Aber nun hat gerade der Restaurationskurs der römischen Hierarchie das Volk aufgerüttelt, das sich nicht in eine mittelalterliche-barocke Kirche, Liturgie und Theologie zurückzwingen lässt. ... Die Kritik am restaurativen kirchenpolitischen Kurs findet immer mehr Zustimmung. Was wir schon so lange sagen, ist weithin Konsens geworden.“

Der französische Bischof Jacques Gaillot, der einen Tag zuvor, am 11. September 2010 in Paris seinen 75. Geburtstag feierte, hatte in seinem Grußwort erklärt: „Ihr habt den Mut gehabt, mit Tiefgründigkeit das Verhältnis der katholischen Kirche zur modernen Gesellschaft aufzuzeigen. Ihr habt es verstanden, auf ihre Moral und auf schwerwiegende Probleme hinzuweisen und einen offenen und realistischen Dialog vorzuschlagen. ... Danke und Bravo für Eure Existenz und Euer Durchhalten.“

Des Ziel eines Begehrens, Themen in die Diskussion zu bringen, ist auch nach Ansicht von Eva-Maria Kiklas aus Dresden und Christian Weisner aus Dachau viel umfassender gelungen, als man damals zu hoffen gewagt habe. „Damit haben wir in der Kirche viel bewegt.“ Beide gehören zu denen, die 1995 das in Österreich gestartete KirchenVolksBegehren in Deutschland initiiert hatten. Wenn sich mittlerweile viele katholische Verbände, allen voran das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, sowie in vielen Ländern sogar Bischöfe und Kardinäle dafür aussprechen, über den Pflichtzölibat nachzudenken, und wenn selbst im Vatikan geäußert wird, dass Frauen mehr Macht erhalten sollten, so seien das doch wahrlich Zeichen einer „Kultur des Wandels“, selbst wenn die Umsetzung derzeit noch auf sich warten lässt. Dies bekräftigten auch Dr. Martha Heizer, die 1995 in Österreich die fünf Forderungen nach mehr Mitbestimmung in der Kirche, der Gleichberechtigung der Frau, der Freistellung des Zölibates, einer positiven Bewertung der Sexualität und der Verkündigung als Frohbotschaft mitformuliert hatte, sowie Brigitte Durrer, Präsidentin der Schweizer Tagsatzung, die ebenfalls mit an Bord des Rheinschiffes waren.

Bei dem Zwischenstopp in Mainz ließen die mitfahrenden Kinder Papierschiffchen zu Wasser, auf denen im Gottesdienst die Dinge notiert worden waren, von denen sich die männerdominierte ängstliche und ängstigende Kirche verabschieden muss, damit die befreiende Botschaft Jesu wieder ins Zentrum rückt. Musik, Kabarett und eine Videoschau zeigten, was Wir sind Kirche in den vergangenen Jahren alles bewegt hat und was für die Zukunft geplant ist. Kurz vor der Ankunft in Mannheim wurde besonders Dietgard Heine aus Mainz und Monika Schulz-Linkholt aus Mannheim, aber auch allen anderen, die zur äußerst gelungenen Schiffstour auf der MS „Europa“ beigetragen hatten, herzlich gedankt.

TV-Tipp: Fernseh-Bericht über die Schiffstour am Sonntag, 19. September 2010, von 9:00 bis 9:30 Uhr im ZDF.

Vom KirchenVolksBegehren . . .

In der Zeit vom 16. September bis 12. November 1995 hatten 1.845.141 Menschen, von denen sich 1.483.340 ausdrücklich als römisch-katholisch bekannten, haben allein in Deutschland die fünf Forderungen des KirchenVolksBegehrens unterschrieben. Sie taten dies auf der Grundlage der dogmatischen Konzils-Konstitution „Lumen Gentium“, Art. 37, und des Can. 212 § 3. des Kirchenrechts. Danach haben die Gläubigen „das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.“

Zu den Erstunterzeichnenden in Deutschland gehörten unter anderen: Sr. Dr. Lea Ackermann, Dr. Franz Alt, Pfr. Roland Breitenbach, Dr. Magdalene Bußmann, PD Dr. Eugen Drewermann, Prof. Dr. Peter Eicher, Prof. Dr. Norbert Greinacher, Prof. Dr. Bernhard Häring †, Prof. Dr. Gotthold Hasenhüttl, Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach, Hanns Dieter Hüsch, Pfr. Dr. Ferdinand Kerstiens, Prof. Dr. Hans Küng, Dieter Kürten, Prof. Dr. Norbert Mette, Christa Nickels MdB, Norbert Piechotta, P. Dr. Wolfgang Seibel SJ, Bundestagspräsidentin Prof'in Dr. Rita Süßmuth, Ministerpräsident Erwin Teufel, Wolfgang Thierse MdB.

. . . zur KirchenVolksBewegung und Konzilsbewegung

In den vergangenen 15 Jahren hat Wir sind Kirche – unterstützt von konzilsorientierten TheologInnen – in vielen Bereichen konstruktive Wege zur Bewältigung der gegenwärtigen Kirchen(leitungs)krise aufgezeigt. Wir sind Kirche hat sich an allen Katholiken- und Kirchentagen intensiv beteiligt und als unabhängige Kraft in zahlreichen Stellungnahmen die „Stimme des Kirchenvolks“ zum Ausdruck gebracht. Wie zuletzt der von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene „Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010“ (www.mdg-online.de) deutlich machte, werden die von Wir sind Kirche vorgebrachten Reformanliegen von der großen Mehrheit der noch der Kirche Verbundenen unterstützt.

1998 wurde nach dem von Rom erzwungenen Ausstieg der Bischöfe aus der Konfliktberatung aus der KirchenVolksBewegung heraus der Verein „Frauenwürde e.V.“ gegründet, der mittlerweile sechs Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen betreibt. Schon 2002 richtete Wir sind Kirche einen unabhängigen Notruf für Opfer von sexualisierter Gewalt durch Priester und Ordensleute ein, der seitdem insgesamt 400 Betroffene begleitet hat.

Im Selbstverständnis der KirchenVolksBewegung ist der Platz für Kritik nicht außerhalb, sondern innerhalb der römisch-katholischen Kirche, weil man sich nicht der gemeinschaftlichen Verantwortung entziehen will. Wir sind Kirche orientiert sich damit am Grundgedanken der „Communio“ (Gemeinschaft aller Gläubigen) des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und ist somit gerade im Hinblick auf das kommende Konzilsjubiläum zu einer Konzilsbewegung geworden.


Pressekontakte:
Christian Weisner, Tel: 0172-5184082, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de
Dietgard Heine, Tel: 06131-839554, E-Mail: heine@wir-sind-kirche.de
Monika Schulz-Linkholt, Tel: 0171-7054013, E-Mail: MSchuLi@aol.com
Homepage: www.wir-sind-kirche.de


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Grußworte von Hans Küng, Bischof Gaillot und zahlreichen weiteren prominenten Persönlichkeiten + (vorläufige) Kurzchronik 1995-2010 (> PDF)

Weitere Veranstaltungen aus Anlass des 15-jährigen Bestehens der katholischen Reformbewegung sind auf der Internetseite www.wir-sind-kirche.de zu finden.


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Einige neuere Artikel über Wir sind Kirche

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Vera Rüttimann
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Rheinischer Merkur 20.5.2010

Klaus Harpprecht
Laienbewegung der Kirche. Die zweite Reformation
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»Es gibt ein verbürgtes Recht auf Kritik« Wird es für die katholische Kirchenvolksbewegung schwieriger? Fragen von Hartmut Meesmann an den Initiator Christian Weisner Publik-Forum 24.7.2009


Zuletzt geändert am 08­.12.2012