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Veröffentlicht am 19­.06.2010

19.6.2010 - Radio Vatikan

D: Kirche erreicht die Menschen nicht

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ So lautet die Frage Gretchens an Faust, in „Der Tragödie erster Teil“. Es entwickelt sich eine typische Religionsdiskussion: Er, Faust, hinterfragt ihre Frage, was sie denn genau meine, und sie fühlt sich der Diskussion nicht gewachsen und gibt das Fragen auf, überzeugt, dass diese Hinterfragungen nur verstecken sollen, dass Faust eigentlich nicht glaube.

Das mit den Fragen und den Antworten zu Religion und den eigenen Überzeugungen ist also gar nicht so einfach - es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat in dieser Woche eine neue Studie vorgestellt, die sie vom Institut für Demoskopie Allensbach und vom Institut Sinus Sociovision hat erstellen lassen. Letzteres ist bekannt geworden durch die Milieuorientierung seiner Aussagen, die berühmt gewordenen Sinus-Milieus. Welche ästhetisch und duch Zugang zu Bildung geprägten Milieus verhalten sich wie? Wir haben Georg Frericks gefragt. Er ist Unternehmensberater für katholische Medienunternehmen bei der Medien Dienstleistungsgesellschaft der Deutschen Bischofskonferenz, Auftraggeber für den jetzt vorgestellten Trendmonitor religiöse Kommunikation.

2009 war der Befragungszeitraum für die Studie; befragt wurden nur Katholiken. Es sollte nach den ersten Studien 1999 und 2002 ein Bild gewonnen werden, wohin sich Kirchlichkeit und Bindung in der deutschen katholischen Kirche entwickelt. Überraschend war vor allem,

„...dass die Kirche eigentlich die sogenannte bürgerliche Mitte, also den Mainstream in Deutschland, nicht so gut erreicht, wie wir erhofft hätten. Denn in einer Untersuchung, die wir auf Grundlage der Sinus-Milieus vor fünf Jahren durchgeführt haben, bezeichnete diese bürgerliche Mitte die Kirche noch als Teil ihrer familiären Nahwelt. Irgenwie hat man als Kirche vielleicht noch das Gefühl, dieses Milieu zu erreichen, und nach den Ergebnissen des MDG Trendmonitors muss man jetzt sagen, dass das sicherlich unzureichend der Fall ist.“

Die Nachrichten über die Studie hat dominiert, dass die Zustimmung zur Kirche nicht wie vielleicht erwartet zurückgegangen sei - also eigentlich eine gute Nachricht. Das sieht Frericks mit Blick auf die Milieus jedoch anders.

„Die Zustimmung zur Kirche bleibt stabil, verbessert sich vielleicht sogar, aber das könnte eben auch – wie jetzt die Soziologen sagen – damit zusammenhängen, dass schon viele der Kirche den Rücken gekehrt haben. Auf der anderen Seite sieht man auch, dass wir eben die progressiveren, jüngeren Milieus als Kirche noch völlig unzureichend erreichen.“

Was tun? Traditionelle pastorale Strategien, die sich an die ganze Gemeinde der Gläubigen richten, helfen nicht weiter.

„Bischof Gebhard Fürst sagte bei der Präsentation sehr treffend, dass die Kirche eigentlich eine milieuspezifische Kommunikationsstrategie bzw, Strategien bräuchte, um die Milieus in ihrer Ästhetik, aber auch in ihrer inhaltlichen Anschlussfähigkeit auch zu erreichen. Wobei er auch darauf hinwies, dass die Kirche zunächst einmal nicht sich selbst verkauft... in dem Sinne, dass wir nicht fragen sollten, wie sich die Kirche besser darstellen könnte, sondern dass die Kirche eine Botschaft hat.“

Und in dieser Orientierung an der Botschaft Christi liege, so Frericks, auch die einzige Chance, kirchenferne und Kirche ablehnende Milieus zu erreichen. Aber es gibt immer noch eine große Zustimmung zur Kirche und zu ihrer Rolle unter den Katholiken, und das sind auch gute Nachrichten für Benedikt XVI.

„Das fällt auch politiv auf, dass die Rolle des Papstes durchaus mehr Einverständnis bekommt als noch 2002, also zum Ende des Pontifikates von Papst Johannes Paul II.; und gleichzeitig aber – und das ist das Schöne – durchaus, nachdem vielleicht eine erste Anfangseuphorie über den deutschen Papst wieder etwas abgeebbt ist und vielleicht auch kirchlicher Alltag eingekehrt ist. Trotzdem ist die Zustimmug um etliches höher als noch 2002.“

Was die Konfliktpunkte angeht, habe die Studie spitz formuliert; es wurde nach Abtreibung, Frauenpriestertum, Zölibat und generell zur Sexualmoral gefragt. Es zeigt sich Zustimmung zur Kirche, wenn es um karitative Dinge und Frieden und Gerechtigkeit geht, aber Ablehnung, wenn es um die persöniche Lebensführung geht. Aber auch hier lohnt sich ein genaueres Hinsehen:

„Wenn man sich das milieuspezifisch noch einmal anschaut, dann wird das wieder sehr aufschlussreich. Die traditionellen Milieus, die das Rückgrat unserer Noch-Volkskirche in Deutschland bilden, weisen durchaus eine hohe Zustimmung auch zu diesen Punkten auf, während die moderneren, progressiveren, jüngeren Milieus eine noch extremere Ablehnung diese Punkte aufweisen, als wenn man jetzt einfach den statistischen Durchschnitt über die Bevölkerung zieht. Diese Punkte polarisieren sogar sehr stark.“

Es gibt die These, dass wir in Beszug auf kirchliche Bindung mittlerweile nicht mehr von einem Schwinden, sondern schon von einem Bruch sprechen müssen. Auch hierzu können wir aus dem Trendmonitor etwas erfahren. Die Sinus-Milieus der Traditionsverwurzelten und Konservativen bieten relativ hohe Zustimmung zu Kirche, auch im Milieu der Etablierten findet sich einiges davon. Im sogenannten postmateriellen Milieu findet sich immerhin noch eine kritische Auseinandersetzung, aber der Rest der Gesellschaft, und das ist die überwiegende Mehrheit (über zwei Drittel der Katholiken sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz und in Österreich) ist doch recht weit entfernt von alledem, wofür Kirche steht und was Kirche sein will.

Wie kann man dem entgegenwirken? Wie sehen die milieuspezifischen Kommunikationsstrategien aus, von denen Bischof Fürst sprach? Viel Hoffnung wird hier auf das Internet und auf neue Medien gesetzt - kaum ein Bistum, das in dieser Hinsicht nicht eine Initiative hat:

„Das war noch ein wichtiger Aspekt des Trendmonitors, dass die Ursprungsfrage, oder eine der Ursprungsfragen, die wir uns gestellt haben, als der Trendmonitor ins Leben gerufen wurde, lautete: Kann mediale Kommunikation Lücken schließen, die vielleicht in der personalen Kommunikation in der Kirche existieren? Und da muss man ganz klar sagen: Diese Lücken existieren genau so wie vor zehn, wie vor zwanzig Jahren. Die mediale Kommunikation bildet keine Brücke zu Menschen, die die Kirche auf anderem Weg nicht erreicht.“

(rv 19.6.2010 ord)

http://storico.radiovaticana.org/ted/storico/2010-06/401944_d_kirche_erreicht_die_menschen_nicht.html

Zuletzt geändert am 31­.01.2011