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Veröffentlicht am 06­.04.2021

Zum Tod von Hans Küng

Hans Küng – ein großer innovativer theologischer Denker und Wegbereiter

Wir sind Kirche zum Tod von Prof. Hans Küng am Osterdienstag 6. April 2021

  • Innovatives theologisches Denken, das seiner Zeit oft voraus war
  • Römischen Anmaßungen mit theologisch fundierten Aussagen begegnet
  • Einer der geistigen Väter der Initiative Kirche von unten und des KirchenVolksBegehrens

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Pressemitteilung Tübingen / München / Innsbruck, 6. April 2021    > english

In tiefer Trauer und mit großer Dankbarkeit nimmt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche Abschied vom großen Theologen und Ökumeniker Prof. Dr. Hans Küng. „Seine lebenslange Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie sein Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen bleiben uns Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich“, erklärt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zum Tod von Prof. Hans Küng am 6. April 2021, denn Küng ist auch einer der geistigen Väter des KirchenVolksBegehrens 1995.

Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ernannte Schweizer Theologe von Weltrang hat ungeachtet der späteren kirchlichen Ausgrenzung entscheidende Beiträge zu einer ökumenischen Theologie und zum interreligiösen Dialog geleistet und arbeitete bis ins hohe Alter aktiv und kreativ an den von ihm initiierten Projekten mit.

Innovatives theologisches Denken, das seiner Zeit oft voraus war

Seine 1957 fertiggestellte Doktorarbeit „Rechtfertigung“ über den evangelischen Theologen Karl Barth wurde auch von Joseph Ratzinger gelobt, mit dem Küng bis 1968 gemeinsam in Tübingen lehrte. Mit grundlegenden Werken („Die Kirche“ 1967, „Christ sein“ 1974 und „Existiert Gott?“ 1978) hat Küng schon früh nicht nur punktuelle Reformgedanken in die Öffentlichkeit gebracht, sondern diese intensiv in grundlegenden Werken biblisch und systematisch begründet.

Mit seinem ökumenischen Engagement hat Küng maßgeblich dazu beigetragen, dass 1999 eine katholisch-lutherische Einigung in der Rechtfertigungslehre zustande kam. Die Eucharistische Gastfreundschaft, für die sich auch das von ihm 1963 gegründete Institut für Ökumenische Forschung in Tübingen vor dem Berliner Ökumenischen Kirchentag 2003 ausgesprochen hat, war für Küng ein Schritt in die richtige Richtung.

Hans Küng hat wie kein anderer in unserer Zeit die Frage nach der Wahrheit im Christentum wachgerüttelt und wachgehalten. Nach dem Konzil und zugespitzt aus Anlass der 1967 veröffentlichten Enzyklika zum Zölibat und der Enzyklika „Humanae Vitae“ zur Geburtenregelung aus dem Jahr 1968 hatte Küng in seinem 1970 erschienenen Buch „Unfehlbar? Eine Anfrage“ die Frage nach der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes gestellt.

Römischen Anmaßungen mit theologisch fundierten Aussagen begegnet

Dafür wurde ihm am 18. Dezember 1979 unter Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehrerlaubnis „missio canonica“ entzogen. Doch Küng hat seine theologisch fundierten Aussagen über das umstrittene Unfehlbarkeitsdogma von 1870 nicht zurückgenommen und so gezeigt, dass nicht Gehorsam, sondern Widerstand – eine eher seltene katholische „Tugend“ – gefordert ist, wenn es gilt, sich römischen Anmaßungen zu widersetzen.

1968 hatte er die Erklärung „Für die Freiheit der Theologie“ entworfen, die von Yves Congar, Karl Rahner und Edward Schillebeecks überarbeitet und schließlich von 1.360 katholischen Theologinnen und Theologen aus aller Welt – darunter auch Joseph Ratzinger – unterzeichnet wurde. 1989 war Küng Mitunterzeichner der „Kölner Erklärung“, die sich für eine offene Katholizität und gegen die Überdehnung päpstlicher Autorität ausgesprochen hat.

Bis zuletzt widmete sich Küng mit großer Intensität dem interreligiösen Dialog. Dazu hat er selbst drei große Werke zum Judentum (1991), zum Christentum (1995) und zum Islam (2004) veröffentlicht. Seit 1990 widmete er sich dem Projekt Weltethos, das er seit 1995 in der „Stiftung Weltethos“ vorantrieb. Ein Meilenstein bedeutete die „Erklärung zum Weltethos“, die vom Kongress der Weltreligionen 1993 in Chicago verabschiedet wurde und zu einem weltweiten Netzwerk interreligiöser Beziehungen geführt hat. Seine 24-bändige Werkausgabe im Herder-Verlag ist abgeschlossen.

Einer der geistigen Väter der Initiative Kirche von unten und des KirchenVolksBegehrens

Hans Küng ist einer der geistigen Väter der 1980 gegründeten Initiative Kirche von unten (IKvu) und des 1995 durchgeführten KirchenVolksBegehrens, aus dem die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hervorgegangen ist. Der zweite Band seiner Erinnerungen „Umstrittene Wahrheit“ gibt eine historische wie systematische Begründung der Anliegen von Wir sind Kirche, die sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil klar abzeichnen und die Küng schon in den 1960er und 1970er Jahren durchgekämpft hat. Im Band 6 „Sämtliche Werke“ beschreibt er in der Einleitung das „Dauerproblem Kirchenreform“: > Link zum Auszug als PDF

Dass Küngs Anfragen an das Papsttum keineswegs erledigt sind, zeigen die zunehmenden Konflikte zwischen Rom und den Ortskirchen und die Konflikte zwischen Papst Franziskus und Teilen der Kurie. Pflichtzölibat, Frauenordination und Abendmahlsfrage bleiben trotz aller Verbote aus Rom in der Diskussion, ja sind und bleiben dringende Reformpunkte.

Bei der Eröffnung der von Wir sind Kirche mitgetragenen Konziliaren Versammlung „Zeichen der Zeit – Hoffnung und Widerstand“ in der Frankfurter Paulskirche, seinem letzten großen Auftritt in Deutschland, sagte Hans Küng am 18. Oktober 2012: „Wir dürfen nicht aufgeben ... Gerade in der gegenwärtigen Phase der innerkirchlichen Restauration kommt es darauf an, ... den langen Atem zu bewahren“, ein Wort, das besonders an dem jetzigen Wendepunkt der Kirchengeschichte gilt.

Zum 25-jährigen Bestehen der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche im Herbst 2020 hatte er uns geschrieben:
„Von Anfang an habe ich die KirchenVolksBewegung in jeder Hinsicht unterstützt. In ihren Forderungen hat sie die Botschaft Jesu Christi hinter sich und sie entspricht zugleich den Erfordernissen der heutigen demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. In der Zeit der beiden Restaurationspäpste Wojtyla und Ratzinger bestand wenig Hoffnung, dass ihre Anliegen in der Hierarchie Gehör finden. Mit Papst Franziskus aber scheint eine Wende eingetreten zu sein, die eine Erfüllung mancher ihrer Forderungen leichter macht. In der winterlichen Kirche hat die KirchenVolksBewegung die Glut unter der Asche am Glimmen gehalten. Möge das Feuer der Reform nun endlich die ganze Kirche und auch den Vatikan ergreifen. Also weiterhin, liebe Freundinnen und Freunde: Mut, Kreativität und Ausdauer!“

Pressekontakt Wir sind Kirche in Deutschland:
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Magnus Lux: Tel. 0176 41707725, lux@wir-sind-kirche.de
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Press Release Tübingen / Munich / Innsbruck, 6 April 2021

Hans Küng - a great innovative theological thinker and pioneer

We are Church on the death of Prof. Hans Küng on Easter Tuesday 6 April 2021

  • - Innovative theological thinking that was often ahead of its time
  • - Countered Roman pretensions with theologically sound statements
  • - One of the spiritual fathers of the Church from Below initiative and the Church People's Movement.

In deep mourning and with great gratitude, the Church People's Movement We Are Church takes leave of the great theologian and ecumenist Prof. Dr. Hans Küng. "His lifelong perseverance in the renewal of the Roman Catholic Church as well as his commitment to ecumenism and the dialogue of the world religions remain encouragement, inspiration and incentive for us at the same time," declares the Church People's Movement We Are Church on the death of Prof. Hans Küng on 6 April 2021, because Küng is also one of the intellectual fathers of the Church People's Movement 1995.

The world-class Swiss theologian, appointed by Pope John XXIII as official advisor to the Second Vatican Council (1962-1965), made decisive contributions to an ecumenical theology and interreligious dialogue, despite later being ostracised by the Church, and continued to work actively and creatively on the projects he initiated until his old age.

Innovative theological thinking that was often ahead of its time

His doctoral thesis "Justification" on the Protestant theologian Karl Barth, completed in 1957, was also praised by Joseph Ratzinger, with whom Küng taught together in Tübingen until 1968. With fundamental works ("Die Kirche" 1967, "Christ sein" 1974 and "Existiert Gott?" 1978), Küng early on not only brought selective reform thoughts to the public, but also intensively substantiated them biblically and systematically in fundamental works.

With his ecumenical commitment, Küng made a decisive contribution to achieving Catholic-Lutheran agreement on the doctrine of justification in 1999. For Küng, Eucharistic hospitality, which the Institute for Ecumenical Research in Tübingen, which he founded in 1963, also advocated before the 2003 Berlin Ecumenical Church Congress, was a step in the right direction.

Hans Küng has shaken up and kept awake the question of truth in Christianity like no other in our time. After the Council and in the wake of the encyclical on celibacy published in 1967 and the encyclical "Humanae Vitae" on birth control in 1968, Küng raised the question of infallibility in his 1970 book "Infallible? An Inquiry", Küng raised the question of the infallibility of the papal magisterium.

Roman presumptions countered with theologically sound statements

For this he was deprived of his ecclesiastical teaching licence "missio canonica" on 18 December 1979 under Pope John Paul II. Yet Küng did not withdraw his theologically well-founded statements on the controversial infallibility dogma of 1870 and thus showed that not obedience but resistance - a rather rare Catholic "virtue" - is called for when it comes to resisting Roman presumptions.

In 1968, he had drafted the declaration "For the Freedom of Theology", which was revised by Yves Congar, Karl Rahner and Edward Schillebeecks and finally signed by 1,360 Catholic theologians from all over the world - including Joseph Ratzinger. In 1989, Küng was a co-signatory of the "Cologne Declaration", which spoke out in favour of an open catholicity and against the overstretching of papal authority.

Until the end, Küng devoted himself with great intensity to interreligious dialogue. He himself published three major works on Judaism (1991), Christianity (1995) and Islam (2004). Since 1990, he has dedicated himself to the Global Ethic project, which he has been promoting in the Global Ethic Foundation since 1995. A milestone was the "Declaration on Global Ethics", which was adopted by the Congress of the World's Religions in Chicago in 1993 and led to a worldwide network of interreligious relations. His 24-volume edition of works published by Herder-Verlag has been completed.

One of the intellectual fathers of the Church from Below initiative and the ChurchPeople'sPeople'sPetition

Hans Küng is one of the intellectual fathers of the Initiative Kirche von unten (IKvu), founded in 1980, and of the KirchenVolksBegehrens (Church People's Initiative), carried out in 1995, from which the KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche (Church People's Movement We Are Church) emerged. The second volume of his memoirs "Contested Truth" gives a historical as well as systematic justification of the concerns of We are Church, which have become clear since the Second Vatican Council and which Küng had already fought through in the 1960s and 1970s. In Volume 6 "Complete Works" he describes in the introduction the "permanent problem of church reform": www.wir-sind-kirche.de/files/002618_KUENG_Bd6_Kirchenreform_Einleitung.pdf

That Küng's questions to the papacy are by no means settled is shown by the increasing conflicts between Rome and the local churches and the conflicts between Pope Francis and parts of the Curia. Compulsory celibacy, women's ordination and the question of the Lord's Supper remain under discussion despite all the prohibitions from Rome, indeed they are and remain urgent points for reform.

At the opening of the conciliar assembly "Signs of the Times - Hope and Resistance" in the Paulskirche in Frankfurt, which was co-sponsored by We are Church and his last major appearance in Germany, Hans Küng said on 18 October 2012: "We must not give up ... Especially in the present phase of inner-church restoration, it is important ... to keep our breath", a word that is especially true at the current turning point in church history.

On the occasion of the 25th anniversary of the KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche in autumn 2020, he had written to us:

"From the beginning, I have supported the KirchenVolksBewegung in every respect. In its demands it has the message of Jesus Christ behind it and at the same time it corresponds to the requirements of today's democratic and pluralistic society. In the time of the two Restoration Popes Wojtyla and Ratzinger, there was little hope that their concerns would be heard in the hierarchy. With Pope Francis, however, a turning point seems to have occurred that makes it easier for some of their demands to be met. In the wintry Church, the Church People's Movement has kept the embers smouldering under the ashes. May the fire of reform now finally take hold of the whole Church and also the Vatican. So continue, dear friends: courage, creativity and perseverance!"

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Zuletzt geändert am 25­.01.2022